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Kein Programm, kein Aufwind

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Wenn das Staatsopernballett Premiere hat, ist das jedesmal Anlaß zu viel Neugierde. Wird es endlich technisch weitergekommen sein? Wird es endlich mehr Disziplin zeigen, vor allem im Corps? Ich war in dieser Hinsicht diesmal mehr enttäuscht als sonst. Bis auf ein paar, die sich merkbar profilieren, Ludwig Karl und Heinz Heidenreich etwa, oder Christine Gaugusch, blieben die drei einstudierten Werke eher unter dem Niveau, das für solche Premieren absolutes Muß ist. Die eiserne Disziplin, unerläßlicher Teil des Ballettbetriebes, fehlte merkbar. Ein gewisses Leichtnehmen wird spürbar. Auch muß man sich fragen, ob das wirklich der einzig richtige Weg ist, den man jetzt in der Programmpolitik geht. Nämlich, Opernhäusern wie Frankfurt, Hamburg, Berlin oder Stuttgart die Balletturaufführungen zu überlassen und die Werke dann in Wien Jahre später nachzuspielen. Wäre das Wiener Staatsopernballett nicht zu jeder Premiere wenigstens eine Uraufführung wert? Kann man, was da jetzt exerziert wird, als Programmpolitik bezeichnen?

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Wenn das Staatsopernballett Premiere hat, ist das jedesmal Anlaß zu viel Neugierde. Wird es endlich technisch weitergekommen sein? Wird es endlich mehr Disziplin zeigen, vor allem im Corps? Ich war in dieser Hinsicht diesmal mehr enttäuscht als sonst. Bis auf ein paar, die sich merkbar profilieren, Ludwig Karl und Heinz Heidenreich etwa, oder Christine Gaugusch, blieben die drei einstudierten Werke eher unter dem Niveau, das für solche Premieren absolutes Muß ist. Die eiserne Disziplin, unerläßlicher Teil des Ballettbetriebes, fehlte merkbar. Ein gewisses Leichtnehmen wird spürbar. Auch muß man sich fragen, ob das wirklich der einzig richtige Weg ist, den man jetzt in der Programmpolitik geht. Nämlich, Opernhäusern wie Frankfurt, Hamburg, Berlin oder Stuttgart die Balletturaufführungen zu überlassen und die Werke dann in Wien Jahre später nachzuspielen. Wäre das Wiener Staatsopernballett nicht zu jeder Premiere wenigstens eine Uraufführung wert? Kann man, was da jetzt exerziert wird, als Programmpolitik bezeichnen?

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Man hat diesmal drei Werke ins Repertoire genommen: Christoph Willibald Glucks „Don Juan“, 1761 für Wien komponiert und hier aufgeführt, ist endlich damit wieder im Spielplan; John Neumeier wiederholte hier seine 1972 für das Frankfurter Ballett geschaffene Choreographie. Hans van Manen studierte mit den Wienern seine für Nederlands Dans Theater im Vorjahr kreierten „Lieder ohne Worte“ nach zehn Klavierstücken Mendelssohns ein. Und um den Abend im Walzertakt zu runden, wählte man Ravels „Valses nobles et sentimentales“ und „La Valse“, die in Georges Balanchi-nes Choreographie von 1951 gezeigt werden. Ein Abend mit großen Momenten, nicht ohne viel Zwiespältigkeit. Um so mehr, als das Staatsopernballett auch technisch wirklich nicht

das leistete, was man eigentlich von einer „Kompanie im Aufwind“ erwartete.

Zwei Stücke sind Arbeiten in Pastell. Spielerisch elegant und schwerelos gibt sich van Manen. Tänzer in Trikots, mit offenen Blusen vor einem blaßgraublaüen Hintergrund mit gemaltem Gitterraster von Paul Vroom. Sehr kultiviert. Ein neuer Versuch van Manens, Tanz um seiner selbst willen auszukosten. Tanz als Mit- und Gegeneinander, im Isoliertsein. Tanz stellt nur Tanz dar. Van Manens Ästhetik ist stets klar erkennbar. Imponierend in der edlen Gemessenheit die Damen Cech, Haslinger, Scheuermann und Maar und die Herren Birkmeyer, Ditl, Heidenreich und Ludwig Karl.

Etwas geschmäcklerischer gibt sich Neumeiers „Don Juan“. Neumeier hat

die Musik Glucks mit Teilen der Totenmesse von Tomas Luis de Victoria umrahmt. Was er entfaltet, ist vor allem große Show. Prächtig die Ausstattung Filippo Sanjusts. Prunkvolle Trauermärsche, festlich das barocke Theater auf dem Theater.

Vom Diener Catalinon werden Don Juan die eigenen Amouren mitsamt der Verdammnis als Ballettpersiflage gezeigt. Bis der alternde Intellektuelle sich angewidert zurückzieht und seinem Todesengel verfällt. Ein Stück für Schaulustige also, dem Neumeier und Sanjust die Atmosphäre spanischer Gemälde geben.

Don Juan, von Franz Wilhelm mit Verve und Temperament, aber doch auch einiger Unsicherheit getanzt, ist ein Narziß in Langeweile und überspielter Melancholie. Ein Intellektueller zwischen Horvath und Max Frisch, deren Texte der Deutlichkeit halber rezitiert werden. Maria Luise Jaska tanzt Donna Anna als Furie, die sich um den Geliebten balgt. Kalt bleibt der Todesengel Susanne Kirnbauers. Sie hat sehr wenig zu tanzen. Am meisten überzeugten mich Heinz Heidenreich als Diener, ein origineller Catalinon, voll Schabernacktemperament, und Christine Gaugusch als leidenschaftliche Schauspielerin Amirita. Immerhin wird in der Choreographie das Spannungsfeld Erotik-Religion-Tod deutlich.

Geschmacklich peinlich daneben ging Ravels „La Valse“. Spätexpressionismus im Walzertakt. Der Tod holt ein Mädchen beim Ball. Daß Balanchi-nes Choreographie außerdem noch sehr unexakt ausgeführt wurde, machte die Aufführung noch peinlicher, kann aber selbstverständlich nicht dem Choreographen angelastet werden.

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