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Das Gewissen ist zu respektieren

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Militärbischof Alfred Koste- lecky ist nun einige Monate im Amt. Wie sieht er seine Aufgabe? Und was hält er von der innerkirchlichen Debatte über Bischofsernennungen?

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Militärbischof Alfred Koste- lecky ist nun einige Monate im Amt. Wie sieht er seine Aufgabe? Und was hält er von der innerkirchlichen Debatte über Bischofsernennungen?

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FURCHE: Exzellenz, Militärseelsorge ist Kategorialseelsorge. Ist es notwendig, Kategorialseelsorge innerhalb einer eigenen Diözese zu betreiben?

KOSTELECKY: Die kategoria- le Seelsorge ist immer dort notwendig, wo man den Menschen nachgehen muß, zum Beispiel in der Krankenhausseelsorge. Ich kann nicht erwarten, daß der Kranke zum Geistlichen kommt, sondern daß der Priester zum Kranken kommt. In der Krankenhausseelsorge, auch in einer Studentenseelsorge, erfolgt dieses Nachgehen innerhalb einer Diözese, einer örtlich begrenzten, also in einer Ortskirche.

Das Heer ist aber eine Einrichtung, die sich auf das ganze Bundesgebiet erstreckt, und daher ist es sozusagen diözesangrenzen-

übergreifend. Diese Tatsache bedingt dann, daß auch einheitlich Vorsorge getroffen wird für die Organisation der Seelsorge in Form einer Personaldiözese.

FURCHE: Für die Kirche ist diese Form der Seelsorge eine große Chance. Wird diese Chance genügend genützt?

KOSTELECKY: Ich bedaure, daß die Zahl der Seelsorger relativ gering ist, daß wir diese Chancen nicht in vollem Maße ausschöpfen können. Aber von den Militärseelsorgem wird tatsächlich gemacht, was sie können. Ich selbst konnte in der kurzen Zeit erleben, daß echte Begegnungsmöglichkeiten mit Grundwehrdienern da sind, aber auch mit dem Kaderpersonal, und daß ein seelsorgliches Angebot von den Soldaten gerne aufgenommen wird.

FURCHE: Können Sie da ein konkretes Beispiel nennen?

KOSTELECKY: Zum Beispiel die Soldatenfirmung, wo die jungen Männer vollkommen freiwillig davon Gebrauch machen. Es wird ihnen lediglich mitgeteilt, daß eine Firmmöglichkeit geschaffen ist, und in einer beachtlich großen Zahl wird davon Gebrauch gemacht. Ich habe vor zwei Wochen in Wiener Neustadt 110 Soldaten und zehn Kinder dazu aus Soldatenfamilien gefirmt.

FURCHE: Es gibt eine Kommission in Österreich, die prüft, ob jemand Wehrdienst oder Zivildienst leisten soll. Wie stehen Sie zur Einrichtung einer solchen Kommission?

KOSTELECKY:Zunächst stehe ich grundsätzlich lOOpro- zentig dazu, daß jemand, wenn er im Gewissen glaubt, nicht Wehrdienst leisten zu können, eine Möglichkeit haben muß, daß man ihn berücksichtigt. Hier gibt es sicher Schwierigkeiten, daß ein junger Mensch sich vielleicht nicht richtig vor einer Kommission artikulieren kann. Da bin ich der Meinung, daß man auch einem solchen noch besonders behilflich sein soll.

FURCHE: Sie meinen also, daß man Leuten, die sich vor so einer Kommission schwertun, noch besondere .Anwaltshilfe“ leisten sollte?

KOSTELECKY: Das geschieht ja auch durch die Katholische Jugend, die eigene Beratungsstellen hat, nur glaube ich, müßte die Katholische Jugend so objektiv sein, daß sie auch dem Präsenzdiener zur Seite steht und, wenn er Hilfe braucht, auch ihn berät.

FURCHE: Das führt zu der Frage: Wenn es Militär seelsorg e gibt, gibt es auch Seelsorge für Zivildiener?

KOSTELECKY: Freilich gibt es die auch. Bischof Egon Kapellan hat das erwähnt, und zwar ist hier Vorsorge getroffen im Rahmen der Ortskirche. Der Zivildiener muß ja nicht in Kasernen wohnen, der Zivildiener ist ja nicht so gebunden an dienstliche Verpflichtungen, er hat einen geregelten Dienstplan, während der Soldat ja immer zur Verfügung stehen muß.

FURCHE: Zum Konflikt um die Ernennung des neuen Wiener Weihbischofs: Haben Sie auch den Eindruck, daß hier etwas passiert ist, was man als Rebellion bezeichnen kann, oder war das nur das Gebrauchmachen von einem menschlichen Grundrecht auf freie Meinungsäußerung?

KOSTELECKY: Ich glaube, daß man weder von Rebellion sprechen kann und daß man auch nicht sprechen soll von einem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung, sondern man soll die Fakten einmal überlegen. Ich glaube, dem liegt der Wunsch zugrunde, daß man einen Bischof, wenn möglich, aus seiner eigenen Diözese bekommt. Die Praxis zeigt, daß das nicht immer möglich ist, und offenbar hat man sich daran gewöhnt. In Erzbischof Hans Hermann Groer ist meines Wissens zum ersten Mal ein Wiener Erzbischof von Wien geworden.

Was bei den Weihbischöfen hier sonst üblich ist, daß die selbstverständlich aus der Diözese genommen werden, das ist in unseren Nachbarländern, etwa in Deutschland, nicht imbedingt so. Wenn man auf die Geschichte zurückblickt, so habe ich selbst noch gewußt, daß es in Wien auch einen Weihbischof Pflüger gegeben hat, der auch aus Oberösterreich stammte. Diese Tatsache, daß ein Nicht-Wiener nun zum Weihbischof ernannt wurde, war, glaube ich, die primäre Ursache der Ver wunderung.

FURCHE: Glauben Sie nicht auch, daß die Ursache des Konflikts möglicherweise ein unterschiedliches Bild von Kirche und Papsttum ist?

KOSTELECKY: Ich glaube nicht, daß das ein unterschiedliches Kirchenbild ist, sondern daß es eine Unkenntnis ist, wie von seiten des Heiligen Stuhls sorgsam vorgegangen wird bei den Bi- schofsemennungen. In den letzten Jahren konnte ich meiner Erfahrung nach feststellen, daß immer mehr Priester und auch Laien befragt wurden. Daß diese Befragung unter dem sogenannten päpstlichen Geheimnis steht, ist eine Selbstverständlichkeit. Denn die Auswählung zum Bischof, wo unter vielen einer ausgewählt wird, darf doch nicht zur Diskri-

minierung jener werden, die dann nicht ausgewählt worden sind.

FURCHE:Ist nicht die Kirchengeschichte reich an verschiedenen Formen der Bischofsbestellung? Ist es nicht möglich, die Ortskirche etwas stärker einzubeziehen in die Bischofsbestellung?

KOSTELECKY: Ich glaube, das Bemühen, die Ortskirche stärker einzubinden, besteht ja, und man versucht auch in der Praxis das immer mehr auszuweiten, aber die Schwierigkeit besteht darin, daß ich diesen Vorgang nicht zu einem öffentlichen Wahlvorgang machen kann, das kann bestimmt nicht sein.

FURCHE: Es besteht die Meinung, daß der Papst möglicherweise einseitig informiert wird und daß das zuMaßndhmenRoms führt, die dann in der Ortskirche nicht verstanden werden. Ist das Ihrer Meinung nach denkbar?

KOSTELECKY: Denkbar ist sicherlich alles, denn wo Menschen agieren, wird es Fehler geben und wird es auch Mängel geben. Aber soweit ich den gegenwärtigen Papst kenne, hat er sicher voll informiert gehandelt.

FURCHE:Ist jetzt die Vorverlegung des Ad-limina-Besuches• auf Juni eine Folge dieser Ereig-

tt XSS6 ?

KOSTELECKY: Die Vorverlegung des Ad-limina-Besuches ist sicherlich eine Sache des Terminkalenders des Heiligen Vaters. Die österreichischen Bischöfe hatten relativ spät um ihren Termin angesucht. Im Effekt aber begrüße ich es sehr, daß mm der Ad- limina-Besuch schon im Juni stattfindet, weil ein Zuwarten bei Dingen, die ausgesprochen gehören, nie gut ist.

FURCHE: Im Jahr 1988 soll der Papst wieder nach Österreich kommen. Gibt es dafür schon einen Wunschtermin?

KOSTELECKY: Ursprünglich gedacht hätten die Bischöfe an September 1988, aber wenn man jemanden einlädt, muß man auch auf den Terminkalender des Einzuladenden Rücksicht nehmen.

FURCHE: Nehmen Sie an, daß nach dem Ad-limina-Besuch dies vielleicht schon konkreter feststeht?

KOSTELECKY: Ich hoffe es, weil ja die Zeit der Vorbereitung genau genützt werden muß.

Das Gespräch führte Heiner Boberski

* Alle fünf Jahre fälliger Besuch der Bischöfe eines Landes in Rom („ad limina apo- stolorum“ — an den Schwellen der Apostelgräber)

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