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Alfred Kosteleckyder stille Diplomat

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Der dieser Tage zu Grabe getragene Militärbischof Alfred Kostelecky war eine bisweilen unterschätzte große Persönlichkeit der kirchlichen Zeitgeschichte.

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Der dieser Tage zu Grabe getragene Militärbischof Alfred Kostelecky war eine bisweilen unterschätzte große Persönlichkeit der kirchlichen Zeitgeschichte.

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Geboren in der schwierigen Nachkriegszeit am 15. Mai 1920 in Wien als Sohn eines Magistratsbeamten, führte Alfred Kosteleckys Ausbildung über die Volksschulzeit bei den Schulbrüdern in Wien-Währing und das Bundesgymnasium in der Josefstadt auf die Theologische Fakultät Wien. Seine Herkunft, seine katholische Erziehung, sein Engagement in der Marianischen Kongregation immunisierten ihn für nationalsozialistisches Gedankengut. Seine Teilnahme am berühmten Jugendgottesdienst des Rosenkranzfestes 1938 bezahlte er mit Gestapo-Haft.

Priesterseminarist zu sein und Theologie zu studieren, war für das NS-Regime kein Grund, ihn nicht zum Kriegsdienst einzuberufen, und so finden wir Alfred Kostelecky ab Oktober 1940 in den folgenden fünf Jahren als Soldat, vornehmlich an der Ostfront und in Frankreich. Obgleich er selbst nie von der Waffe Gebrauch machen mußte, zeichneten ihn die schweren Kriegsverletzungen in der Lunge und am Bein fürs ganze weitere Leben.

Mit der Entlassung aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft Ende November 1945 konnte Kostelecky wieder frei seinen Lebensweg wählen und entscheiden, und dieser hieß klar Theologiestudium und Priesterberuf. Der Priesterwfeihe im Juni 1948 folgten Kaplans] ahre in Wolkersdorf, ehe ihn sein Erzbischof Kardinal Theodor Innitzer nach Rom zu kanonistischen Studien entsandte. Wohnhaft in der österreichischen Nationalstiftung „Santa Maria deir Anima" unter dem Rektor, Bischof Alois Hudal, absolvierte Kostelecky an der berühmten Gregoria-na sein Studium und wurde 1954 als Jahrgangsbester zum Doktor des kanonischen Rechtes promoviert.

Die Dissertation war visionär heimatbezogen: „Die Rechtsbeziehungen zwischen den Seelsorgern und dem Kapitel am Wiener Dom" und )rädestinierte ihn förmlich zum Domvikar von St. Stephan in Wien, zu dem er nach seiner Rückkehr aus Rom bestellt wurde. Dem CV-Bei-tritt folgte wie von selbst seine Seel-sorgstätigkeit bei dieser Studenten-und Akademikerschaft.

Der hoch angesehene Primas Ger-maniae, Erzbischof Andreas Rohra-cher von Salzburg, der nach Kardinal Innitzers Ableben den Vorsitz in der österreichischen ^ Bischofskonferenz führte, beauftragte 1956 den zu größten Hoffnungen Anlaß gebenden Kanonisten mit der Geschäftsführung des Sekretariates der Bischofskonferenz, womit Kostelecky dessen Kanzleidirektor wurde.

VIEL FINGERSPITZENGEFÜHL

Diese Bestellung war für das sich neu anbahnende Verhältnis von Kirche und Staat providentiell. Es stand die Frage nach der Gültigkeit des sogenannten Dollfuß-Konkordates dringend an, und der Heilige Stuhl war massiv bei den Bischöfen vorstellig geworden, hier die entsprechende Lösung anzustreben. Wenngleich der Staatsvertrag mit seinem Artikel 26 eine juridisch günstige Ausgangslage für diverse Regelungen, vor allem die Vermögensfragen jetreffend, schuf und sich mit der Ernennung von Franz König zum Nachfolger Innitzers auf dem Wiener Erzbischofsstuhl eine völlig neue, gedeihliche Beziehung zur Sozialdemokratie anbahnte, galt es, schwierigste Fragen im Detail zu lösen. Dabei war Kostelecky mit viel Gespür und Fingerspitzengefühl der richtige Mann am richtigen Platz, hier wurde er zum stillen Diplomaten, der, oft von der Öffentlichkeit unbemerkt, erfolgreich verhandelte und unterhandelte.

So konnte über Bischof Alfred Kostelecky sein enger Vertrauter und Kenner der Materie, der ehemalige Justizminister Hans Klecatsky, schreiben, die Ausgangslage bei den Verhandlungen sei alles eher als ermutigend gewesen; die Kirche in Österreich sei vor einem staatskir-chenrechtlichen Konglomerat gestanden. Daher war zunächst „anatomische Schärfe" nötig, um geltendes von nicht mehr geltendem Recht zu scheiden. Das der Kirche rechtswidrig Entzogene sollte wiederhergestellt und Unrecht wiedergutgemacht werden; daneben war es notwendig. Abgelebtes in zeitgemäß Neues zu verwandeln.

Mehrfach hat Kostelecky über jene schwierigen Verhandlungen zur Anerkennung der Rechtsgültigkeit des Konkordates 4933/34 und deren Konsequenzen geschrieben. Im Herbst 1959 konnte ich einmal erleben, wie er verschmitzt lächelnd und voll Stolz Verhandlungsunterlagen und -ergebnisse zeigte und mir einiges kurz daraus vorlas. Ich hatte den Eindruck, hier war er in seinem Ele-, ment, daran hängt sein Herz.

Wenngleich heute die Regelungen des Konkordates und der staatlichen Gesetzgebung teilweise noch auseinanderklaffen und das heute noch verfassungsrechtlich bedenkliche Kirchenbeitragssystem für die Kirche belastend sei, wie Klecatsky konstatiert, so sei immerhin für die Lösung der noch offenen Fragen das schon Erreichte bleibendes Fundament. „Schon dafür verdient die unsäglich mühevolle Arbeit des Jubilars alle Achtung", fährt Klecatsky in der Festschrift „Pax et lustitia", zu Kosteleckys 70-Jahr-Jubiläum erschienen, fort, „doch gleicherweise dafür, daß er mit dieser seiner Arbeit in entscheidendem Maße mitgeholfen hat, in die reale österreichische Rechtsordnung jene Lichtung zu schlagen, die die Sicht auf die Position der Kirche im zeitgemäßen Menschenrechtsstaat überhaupt freigibt."

1977 bekam Kostelecky, zum Sekretär der Österreichischen Bischofskonferenz gewählt, vermehrt Gelegenheit, das kirchliche Geschehen mitzutragen und mitzubestimmen.

JEDER RADIKALITÄT ABHOLD

Seine mit 12. November 1986 erfolgte Ernennung zum Militärbischof von Österreich traf zwar eine höchst geeignete und lange schon episkopa-ble Priesterpersönlichkeit, aber die Diskussion hierüber, die zwar weniger seiner Person als dem österreichischen Bundesheer galt, wird ihn sicherlich geschmerzt haben. Wie wenig Bischof Kostelecky das Bundesheer und noch viel weniger seine Heeresfunktion martiahsch sah, konnte jeder hören, der Zeuge seiner Bischofsweihepredigt war. Nicht Waffen zu segnen, den Krieg zu verherrlichen, sondern dem Frieden zu dienen und Verantwortung für Leben und Sicherheit der Bürger des Landes mitzutragen, sei seine Sendung; und so sah und lebte er seinen Patriotismus. Für Kostelecky lag seine spezielle Funktion als Bischof in der Verpflichtung zur Seelsorge in einem ganz bestimmten Segment des österreichischen Volkes. Nicht nur den Offizieren, sondern auch den einfachen Präsenzdienern galt sein pastoraler Einsatz.

Bei den in den letzten Jahren divergierender gewordenen papalisti-schen Strömungen und Richtungen im österreichischen Katholizismus erwies er sich jeder Radikalität abhold und hielt sich in der Öffentlichkeit diplomatisch zurück.

Im Schatten großer Persönlichkeiten stehend, reifte Bischof Alfred Kostelecky zur imponierenden Persönlichkeit, hat österreichische Kirchengeschichte gemacht und geschrieben, nicht laut, dafür effizient; wir danken ihm.

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