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Der Lack ist ab

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Wenn eine Sendung in die Jahre kommt, dann ist meist der Lack ab, auch wenn das der Profikritiker Günther Wiesinger im konkreten Fall anders sieht. Warum sollte es dem „Club 2“ anders gehen?

Das gilt auch dann, wenn im Konzept vorgesehen ist, daß Laiendarsteller immer wieder für Blutauffrischung sorgen. Statt des Frei-von-der-Leber-weg-Diskutierens dominieren Profi-diskutierer, die oftmals extra eingeflogen werden, weltanschauliche Selbstdarsteller, aber auch die Karrieristen, die entdeckt werden wollen oder die gute Nachrede bei ihren Gönnern erhalten wollen.

Auch die Themen sind ein Kunterbunt, dem die Spontaneität im Laufe der Jahre abhanden gekommen ist. Da gibt es sensible innenpolitische Themen, die nach penibler Ausgewogenheit schreien. Dann Themen, wo man einen Buhmann, der oft nicht einmal weiß, wie er zu dieser Rolle kommt, seinen Kritikern zum Fräße vorwirft. Themen, die den Geruch—manchmal eher den Leichengeruch — des Zeitgeistes atmen, folgen solche, die rasch hochgezogen werden, um die Klippen der Aktualität möglichst großräumig zu umschiffen.

Um nicht mißverstanden zu werden: Der „Club“ rechtfertigt oft noch immer das Warten, bis er spätabends seine Pforten öffnet, auch wenn er den Hauch des Sensationellen längst verloren hat.

Bei aller Verfremdung durch das Medium Fernsehen, bei den Beteiligten geht auch der Lack ab — mehr als bei anderen Sendungen.

Aber nicht nur inhaltlich wirkt der „Club“ mitunter entlarvend.Mancher entpuppt sich als Zappelphilipp oder als Rumpelstilzchen, ein anderer wieder präsentiert sich als Führernatur, der allen anderen liebend gern ins Wort fällt und über den Mund fährt, oder als notorischer Besserwisser.

Alle diese Typen gibt es unter Generaldirektoren, Politikern, Hausfrauen oder etwa Studenten, und sie machen das Salz der Sendung aus.

Der „Club“ profilierte sich als Panoptikum menschlicher Verhaltensweisen. Gescheites kommt selten heraus, aber man lernt so manchen Zeitgenossen besser kennen.

Wichtiger als all das ist aber, daß durch den Sendungstyp Themen publiziert werden können, je nach Ärgernis, das einzelne Prooder Kontradiskutanten erregen. So ist der „Club“ bisweilen doch politisch wirksam.

Wirksam in diesem Zusammenhang heißt aber lediglich, daß er im schon vorhandenen Meinungsspektrum weiter polarisieren kann.

Die Frage, ob der „Club“ einen Beitrag dazu geleistet hat, daß Österreich offener und liberaler geworden ist, muß daher verneint werden. Statt Argumenten werden Emotionen transportiert, die selektive Wahrnehmung fördert in erster Linie inkompetentes Selbstbewußtsein, jeder Zuseher kann in einzelnen Akteuren die eigene Meinung bestätigt finden: Auch eine Art der Seelenhygiene, die etwaige Zweifel am eigenen Standpunkt ausräumt.

Aber warum sollte im Schrebergarten Österreich nicht auch die Gartenzwergmentalität auf ihre Rechnung kommen?

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