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Digital In Arbeit

Wieviel gönne ich anderen?

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In den nächsten Wochen wird es hart hergehen in Österreich. Sparkonzepte werden vorgelegt, vielleicht auch wieder verworfen werden. Die soziale Kürzungsschere wird im Kreis herumgehen. Jene, die starke Lobbies hinter sich haben, werden sich eher durchsetzen als jene, die keine Stimme erheben können. Ich denke aber, bevor gespart wird, soll doch das eine oder andere Fundament unserer Gesellschaft bedacht werden, vor allem auch im Hinblick auf eine Fortschreibung in die Zukunft. Wir müssen unser Wohlstandsmodell auf den Prüfstand stellen.

Wir haben im Grunde ein kon-sumistisches Wohlstandsmodell, das so funktioniert, daß die Ansprüche immer in die Höhe geschraubt werden und immer ein Abstand zwischen dem Erstrebten und Erreichten existiert. Diese einseitige Orientierung am „Mehr" ist ein Grund dauerhafter Unzufriedenheit. Im beschriebenen Modell ist das Vorbild immer der, der mehr hat. Professor Binswanger aus St. Gallen sieht es noch etwas drastischer: „Die Gier, immer noch mehr und mehr haben zu wollen."

Ich plädiere für ein verändertes Wohlstandsmodell, das materielle Grundversorgung mit immaterieller Lebensqualität koppelt. Rechtsordnung, soziale Sicherheit, Mitgestaltung des öffentlichen Lebens, Glaubensfreiheit, Wahrung der eigenen Interessen, die Fähigkeit produktiven Glücks aus sinnvoller Tätigkeit (Freizeitgestaltung, freiwillige Tätigkeiten ...) sind elementare Pfeiler dieses veränderten Wohlstandsmodells.

Allerdings ergeben sich zwei Ebenen von Konsequenzen:

a) Sehr persönliche Überlegungen: Wofür lebe ich, wieviel brauche ich zum Leben, wieviel gönne ich anderen für ihr Leben? An welchen Vorbildern orientiert sich mein Lebensstil - nur an jenen, die mehr oder manchmal auch an jenen, die weniger haben als ich?

b) Sehr politische Überlegungen: Wie sehen Kollektivvertragsverhandlungen, Sparpakete, Vorbildfunktion und Lebensstil von politischen und wirtschaftlichen Führungskräften vor dem Hintergrund eines veränderten Wohlstandsmodells aus?

Der Autor ist

Präsident der Caritas Österreich.

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