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Königin der Instrumente steht im Schatten

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Sorge sprach aus den Statements und Diskussionsbeiträgen, tiefe Sorge um das weitere Schicksal unserer Kirchenmusik. Anlaß dazu war die erste Veranstaltung des im Vorjahr gegründeten österreichischen Orgelforums, das sich die Aufwertung des voll akademisch ausgebildeten Organisten zum Ziel setzt, in den Räumen der Gesellschaft für Musik. Präsident Professor Franz Burkhart hatte zu einem Round-table-Gesp räch über das Thema „Organist in Österreich - ein Beruf?“ eingeladen.

Schon durch die Stellungnahme von Domorganist Planyavsky wurde das Thema ausgeweitet, kam das ganze Problem der Kirchenmusik zur Sprache, und dabei blieb es auch. Der Domorganist bedauerte, daß der sonst merkbare „Trend der Kirche zum Fachmann“ auf dem Gebiet der Musik eher ins Konträre umschlage: Nicht einmal zehn Kirchenmusiker in Österreich leben tatsächlich von ihrem Metier, denn die Dilettanten spielen ja gratis. Dagegen beschäftigt etwa die Diözese Essen allein 100 hauptberufliche Kirchenmusiker, hat die „ärmste“ Diözese Deutschlands, Würzburg, nach Bericht ihres Musikreferenten und Domkapellmeisters Koesler ein straff gegliedertes, gut aufgebautes Kirchenmusikwesen mit zwölf ehrenamtlich angestellten Kirchenmusikern in den wichtigsten Städten.

„Die höchste Wirkung des Gottesdienstes ist durch Spitzenqualität der gesamten Sakralkultur anzustreben - von der Architektur bis zur Kirchenmusik“ (Dr. Trümmer, Graz) - das war die Meinung der einen Seite. Die Kirche, vertreten durch Ordinariatskanzler Prälat Krätzl, sieht dagegen im verstärkten Einsatz musikalischer Laien die Chance, durch das ersparte Geld in anderen wichtigen Bereichen aktiv werden zu können. Deutsche Beispiele sind auf Österreich schlecht zu übertragen, hat doch vergleichsweise die „arme“ Diözese Würzburg für eine Million Katholiken ein Budget von mehr als 600 Millionen Schilling^ die Erzdiözese Wien mit mehr als der doppelten Anzahl von Seelen nur zwei Drittel davon ...

Verschärfend wirkt sich noch aus, daß in Österreich im Gegensatz zu Deutschland Orgelspenden nach Bericht von Orgelbaumeister Dipl.-Ing. Glatter-Götz nicht von der Steuer abgesetzt werden können: „Dafür zahlen wir in Österreich pro Stunde eine Million Schilling für den Zinsendienst und die Abtragung unserer Staatsschuld.“

Ähnlich temperamentvoll gingen die meisten Fachleute aus sich heraus; ein evangelischer Pastor beklagte den schlechten Zustand der meisten Wiener Orgeln und rief unter großem Beifall: „Ein musikalisch ungebildeter geistlicher Stand entscheidet über das Niveau“, und selbst der als äußerst maßvoll bekannte Vorstand der Abteilung Kirchenmusik an der Wiener Musikhochschule, Professor Hans Hasel- böck, gab am Ende eines äußerst interessanten historischen Überblicks über den Stand des Organisten seine gewichtige Stimme für eine fachgerecht durchgeführte und geleitete Kirchenmusik ab; die Kirche dürfe hier genausowenig sparen wie sie es bei der Geistlichkeit tun könne: „Was würden wir denn zu einem Hobby- Domprediger sagen?“

Sicherlich bedarf nicht jeder Gottesdienst eines „geistlichen Konzerts“, ein Kulturverlust auf diesem Gebiete wäre aber nicht nur äußerst schmerzlich vom musikalischen Gesichtspunkt aus, er wäre ein Schaden für uns

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