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Problem Kirchenmusiker - Phantasie ist gefragt

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Die unbefriedigende Situation der Kirchenmusiker in Österreich und das ab Herbst neu eingerichtete Diözesankonservatorium für Kirchenmusik in Linz behandelte ein Beitrag in FURCHE 26/1992. Die Erfahrungen eines altgedienten Kirchenmusikers, Stiftsorganist in Herzogenburg, ergänzen die seinerzeitigen Ausführungen.

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Die unbefriedigende Situation der Kirchenmusiker in Österreich und das ab Herbst neu eingerichtete Diözesankonservatorium für Kirchenmusik in Linz behandelte ein Beitrag in FURCHE 26/1992. Die Erfahrungen eines altgedienten Kirchenmusikers, Stiftsorganist in Herzogenburg, ergänzen die seinerzeitigen Ausführungen.

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Derzeit schießen Diözesankonser-vatorien für Kirchenmusik förmlich wie die Pilze aus dem Boden. Wenn mich nicht alles täuscht, gibt es in Österreich kaum mehr eine Diözese, die solch eine Institution nicht besitzt. Darin werden Kirchenmusiker der Kategorien B und C ausgebildet. In Kategorie A fallen die Absolventen von Musikhochschulen. Wollte man polemisch werden, könnte man fragen, wo denn die Früchte all dieser Bemühungen bleiben. Wenn man hört, was an Kirchenmusik landauf, landab geboten wird, oft auch in Radiomes-sen, dann könnten schon Zweifel aufkommen. Aber das wäre, wie gesagt, polemisch, weil jedem Sachver-

ständigen klar ist, daß es Jahre, ja Jahrzehnte dauern kann, bis man die Früchte derartiger Institutionen erntet.

Lassen wir also die Polemik sein, und fragen wir, was denn mit den B-und C-Kirchenmusikern eigentlich geschehen soll. Eine kleine Anekdote möge das Problem veranschaulichen, auf das ja auch in dem FURCHE-Beitrag kurz eingegangen wurde. Da kommt ein Organist zu seinem Pfarrer und sagt: „Herr Pfarrer, ich habe gestern am Diözesankonservatorium die C-Prüfung abgelegt; ich bekäme also jetzt 110 Schilling pro Dienst statt bisher 90 Schilling." Da entgegnet ihm der Pfarrer: „Das kann sich unsere Pfarre nicht leisten. Entweder spielst Du ums selbe Geld wie bisher, oder Du mußt Dir eine andere Stelle suchen, und wir müssen uns wieder um einen ungeprüften Organisten umschauen." Sollte diese Geschichte nicht wahr sein, ist sie jedenfalls gut erfunden und kennzeichnet die bestehende Situation trefflich.

In den letzten Jahren ist sehr viel für die A-Kirchenmusiker geschehen. Nach meiner Schätzung gibt es in Österreich derzeit um die 30 A-Po-sten. Sie werden hauptamtlich ausge-

übt und auch relativ gut bezahlt, weil als Maßstab das Gehaltsschema der Bundeslehrer dient. Anstatt sich aber im Anschluß daran auch den Kopf über B- und C-Leute zu zerbrechen, hat man sich auf den (vermeintlichen) Lorbeeren voller Stolz auf das Erreichte ausgeruht, und das bis heute.

Auch die Vorbereitung zählt

Mit der größten Selbstverständlichkeit erwartet man von den B- und C-Leuten nach wie vor, daß sie die Kirchenmusik als Zweit- beziehungsweise Nebenberuf betreiben, also einen Teil ihrer Freizeit dafür opfern, und das bei einer Bezahlung, die alles andere als fürstlich ist. Und wenn das heute nicht mehr so funktioniert wie noch vor 40 oder 50 Jahren, dann jammert man über Nachwuchsmangel und fehlende Opferbereitschaft der jungen Leute. Wer wie ich fast 40 Jahre im Dienst der Musica sacra steht und diesen Beruf immer „nebenbei" ausgeübt hat, der weiß, wieviel Idealismus und Opferbereitschaft dafür erforderlich ist, besonders wenn man bestrebt ist, das durchschnittliche Niveau zu überschreiten. Man widmet dem Nebenberuf ja nicht nur die

(Frei-)Zeit, die der Dauer der Gottesdienste entspricht, sondern auch jene, die man für Vorbereitungen aller Art aufwendet. Dazu zählen für den Dirigenten beispielsweise das Studium der Partituren, das Einrichten der Stimmen oder die Erstellung von Probenplänen, für den Organisten das Üben, das Erstellen der Liedpläne (oder zumindest die Mithilfe dabei), und auch die Einteilung des Dienstes der Kantoren obliegt meistens ihm. Von Arbeitgeberseite (Pfarre und Diözese) wird meistens eingewendet, das sei schon alles richtig, aber all diese Tätigkeiten zusammen ergäben noch immer keine Vollbeschäftigung mit 40 Wochenstunden. Genau hier aber wäre der Hebel anzusetzen.

Der Arbeitgeber müßte einmal seiner Phantasie freien Lauf lassen und überlegen, welche Aufgaben man einem Kirchenmusiker noch zuteilen könnte, damit man ihn voll anstellen kann. Es gäbe wahrlich eine Fülle von Möglichkeiten: Warum soll ein Kirchenmusiker nicht auch als Bürokraft in der Pfarrkanzlei arbeiten? Oder als Pastoralassistent? Auch eine Kombination Kirchenmusiker/Religionslehrer wäre gut vorstellbar, vielleicht

sogar besonders nützlich, wenn man sich vorstellt, was bisweilen an „musikalischer" Betätigung im Religionsunterricht passiert. Das sind nur wenige Beispiele, es gibt sicher mehr. Selbstverständlich dürften die Diözesen in diesen Fällen die finanzielle Last nicht einfach den Pfarren aufbürden. Die Stifte und Klöster könnten Überlegungen anstellen, ob sich nicht in den Bereichen Kunstsammlung, Bibliothek oder (Musik-)Archiv zusätzliche Betätigungsfelder für Kirchenmusiker finden ließen.

Was wir also in erster Linie brauchen würden, wäre eine Arbeitsplatzbewertung und eine darauffolgende Systemisierung von B- und C-Posten auf diözesaner Ebene. Es müßte doch möglich sein, auf diese Weise pro Dekanat etwa drei bis fünf B-Posten zu schaffen. Das wären dann für die Absolventen der Diözesankonserva-torien attraktive Angebote, die sie auch annehmen würden. Die „Angst, ganze Wochenenden in der Kirche verbringen zu müssen", hätte den Grund verloren, und dem ewigen öden Gejammer über den Nachwuchsmangel wäre ein Ende bereitet. Wo ein Wille ist, ist meist auch ein Weg.

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