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KULTUR IM BEISL -GEMÜTLICH UND LEGER

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Kaffeehauskultur - das hat in Wien Tradition und kaum einer möchte sie missen. Mit der Beisl-kultur und der Kultur im Beisl verhält es sich so ähnlich. Sie ist eine jüngere Fassung der großen Wiener Kaffeehaustradition, ihr Enkelkind, gewissermaßen.

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Kaffeehauskultur - das hat in Wien Tradition und kaum einer möchte sie missen. Mit der Beisl-kultur und der Kultur im Beisl verhält es sich so ähnlich. Sie ist eine jüngere Fassung der großen Wiener Kaffeehaustradition, ihr Enkelkind, gewissermaßen.

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Ein Enkelkind mit vielen Gesichtern übrigens, denn die Wiener Kul-turbeisl haben zwar einiges gemeinsam, aber jedes einzelne hat doch seine unverwechselbare Charakteristik. Nehmen wir zum Beispiel das Galerie-Cafe im siebten Wiener Gemeindebezirk, Lercjienfelderstra-ße 9-11. Es ist ein ruhiges Lokal, das eine sehr deutliche Ähnlichkeit mit dem großen Ahnherrn Kaffeehaus aufweist. Das Beisl ist gleichzeitig auch Ausstellungsraum, die nächste Ausstellung ist der Fotografie gewidmet, Vernissage ist am 22. September.

Die zweite Kunstrichtung, die im Galerie-Cafe anzutreffen ist, ist die Literatur. So werden diesen Herbst unter anderem Werner Kotier und Robert Schindel persönlich aus ihren Werken lesen. Der Besucher kann sich aber auch mit Literatur beschäftigen, wenn gerade keine Lesung auf dem Programm steht. Im Galerie-Cafe stehen zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften zur Verfügung, ebenso wie Leseexemplare bestimmter Bücher, darunter Bände, die im Buchhandel noch gar nicht erhältlich sind, wie Beisl-Chefin Leopoldine Grossbard erklärt.

Und wem das noch immer nicht genügt, der kann sich in der angeschlossenen Buchhandlung etwas

Passendes ausborgen und (nach Hinterlegen einer Kaution) im Cafe so richtig schmökern. In einer Atmosphäre, die nicht nur den Gästen angenehm ist sondern auch der Chefin. „Das ist mein Leben und macht mir Spaß", sagt Leopoldine Grossbard über ihr Lokal.

Ein anderes Lese-Beisl ist das CI (Cafe Club International) auf dem Yppenplatz in Wien-Ottakring. Zweimal in der Woche, Montag und Donnerstag von 16 bis 22 Uhr hat dort eine Zweigstelle der Städtischen Bücherei (Stichwort Buch im Beisl) geöffnet. Manfred Judmaier, der dafür verantwortlich ist, organisiert auch die Lesungen, die in regelmäßigen Abständen im Keller des CI stattfinden.

Zwanglos kennenlernen

Dort gibt es allerdings weniger Prominenz zu hören, als vielmehr literarische Newcomer, die ihre Arbeit einem größeren Publikum vorstellen wollen. Daneben hat das CI auch noch andere Veranstaltungen, Konzerte etwa oder Diavorträge, die alle nicht zuletzt ein Ziel haben: das Verständnis der verschiedenen Völker untereinander zu fördern. Dementsprechend bunt gemischt ist auch das Publikum. „Hier findest du alles", erklärt Judmaier, „beim zwanglosen Zusammensitzen Neues kennenlernen, das ist recht angenehm."

Und wer Probleme hat, der kann auch darüber reden im CI, zum Beispiel in der Mieterberatung, die zweimal wöchentlich stattfindet.

Ebenfalls fremdländisch, um nicht zu sagen exotisch, geht es im „Andi-no" zu, im sechsten Bezirk, Münz-wardeingasse 2. Neben Rockkonzer-

ten sind dort vor allem lateinamerikanische Klänge zu hören, live natürlich. Und wen diese Rhythmen nicht kalt lassen, der kann im Flamenco-Tanzkurs lernen, sie stilecht in Bewegung umzusetzen. Eine andere Attraktion dieses Lokals ist übrigens sein wunderschöner Gastgarten, in dem das Chili con Came gleich doppelt so gut schmeckt wie sonstwo.

Wer es lieber jazzig hat, der sollte einmal dem „Tunnel" (achter Bezirk, Florianigasse 39) einen Besuch abstatten. Dort gibt es täglich Live-Musik, Montag und Donnerstag Jazz, Dienstag Blues. Für Skeptische eignet sich der Sonntag für einen ersten Besuch im „Tunnel", da ist nämlich Folk und Country aus aller Herren Länder angesagt.

Last but not least noch ein Lokal, das sich einer besonders wienerischen Art der Kunst verschrieben hat: dem Kabarett. In der „Kulisse" (in der Rosensteingasse in Hernais) darf gelacht werden, zu Darbietungen von Andreas Vitasek, Dolores Schmidinger oder ausländischen Gästen, wie etwa dem Passauer Sigi Zimmerschied. Die Namensliste könnte noch lang fortgesetzt werden. Was, wann, wer - das ist dem jeweils aktuellen Programm zu entnehmen.

Und weil Satire schon seit jeher mit dem Kaffeehaus eng verbunden ist (man denke nur an Alfred Polgar oder Friedrich Torberg), ist wohl auch die „Kulisse" mit ihren bissigen und witzigen Darbietungen in dieser Tradition zu sehen. Ein weiteres Enkelkind des großen Ahnherrn Kaffeehaus. Der zu seiner Zeit vermutlich auch keinen besseren Ruf genoß als die Beisl heute.

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