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Mehr als Theaterspiel

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Im Römersteinbruch wurden die Passionsspiele 1976 feierlich eröffnet, unter lebhafter Anteilnahme der Sankt Margarethner Bevölkerung, im Zuschauerraum befanden sich — als Gäste — Passionsspieler aus Oberammergau, Erl und Kirchschlag. Die Anwesenheit von Persönlichkeiten aus Politik und Kirche, darunter Diözesanbischof DDr. Stefan Laszlö, Landeshauptmann Theodor Kery und Stellvertreter Franz Soronics, unterstrich die Bedeutung des Ereignisses.

Es sind Julbüäiumsspiele, denn 1926 gingen Bauern und Handwerker in der kleinen Weinbaugemeinde bei Eisenstadt daran, die „Passio LNwrtini“ darzustellen. In den Jahren 1933 und 1936 wurden weitere Aufführungen erarbeitet. Unter „Gefahren und Widrigkeiten“ nahmen die Laienspieler 1946 das Spiel wieder auf, das in den letzten Jahrzehnten zu einer Institution geworden ist Es ist seither das Anliegen eines ganzen Dorfes, fast alles in Sankt Margarethen dreht sich um die Passionsspiele, es ist Lebensinhalt vieler einfacher Menschen und hat schon deshalb einen Sinn.

Was nun im Rämersteinbruch zu sehen ist ist nicht gemeint als Gustostück für kulturell Interessierte (weshalb es sich einer gewöhnlichen Theaterkritik eigentlich entzieht), sondern als andere Form der Verkündigung, deren Wert und Zeitgemäßheit freilich (vielleicht zu Unrecht) in Frage gestellt wird. Diese Zweifel sind aber in der herrlichen Kulisse des Steinbruchs selbst unangebracht, da es den Darstellern gelingt, ihre eigene Ergriffenheit zu übertragen, das Geschehen von damals in einen zeitbezogenen und zugleich heilsgeschicht-liohen Umkreis zu stellen.

Die Inszenierung des jungen Regisseurs Bernhard Dobrowsky (nach Alfred Schnayder) läßt Rührseliges, Sentimentales bewußt aus und beschränkt sich auf eine einfache, klare Spielweise. Das kommt dem Können und Wollen der Laienspieler entgegen. Die Textvorlage geht weitgehend auf das Evangelium zurück; es ist wohltuend, daß unter Mithilfe von Prof. Schuberth antisemitische Tendenzen beseitigt wurden. Wie auch die Ansicht, daß Judas, der Verräter, nicht unbedingt als totaler Bösewicht zu zeichnen ist, angenehm wirkt. Theologisch interessant ist auch, daß die gezeigte Passio nicht mit der Kreuzigung endet, sondern Auferstehung und Aussendung der Apostel miteinbezieht. Damit erhält die „Geschichte“ einen anderen, weltweiten Sinn und beschränkt sich nicht auf das Schioksal des „passiven Helden“ Jesus.

Freilich sind es nun Laiendarsteller, die agieren; und das begrenzt die künstlerischen Möglichkeiten. Aber das religiöse Engagement ist wiederum durch diesen Umstand verstärkt, darauf geht Dobrowsky auch sichtbar ein. Besonders gelungen sind im Gesamtablauf die Massenszenen, auf der breiten Cinemascope-Bühne kommen diese Teile hervorragend zur Geltung, während die langen Dialoge (im Hohen Rat, vor Pilatus) an der Größe des Areals und an der weiten Entfernung des Publikums zur Bühne leiden. Aber Szenen wie der Einaug in Jerusalem oder der Kreuzweg sind gekonnt aufgebaut und erzielen eine tiefe Wirkung. Hier dürfen, neben einer großen Menge orientalisoh-buntge-kleideter Menschen auch Esel, Schafe und Pferde mitspielen. Ja, auch die Natur und die Landschaft des Steinbruchs haben großen Anteil an diesem Effekt. — Aus der überaus großen Zahl der Mitwirkenden ragen Anton Unger (Christus), Elfriede Gabriel (Maria), Franz Unger (Kaiphas) und Erhardt Mader (Pilatus) heraus.

Daß es sich um eine besondere Form der Glaubensverkündigung handelte, zeigte auoh, daß die „Premiere“ mit einem Gebet, gesprochen vom Diözesanbischof, begann Der am Anfang stark bewölkte und regnerische Himmel hellte sich bei den ersten Worten „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort“ (Jon. 1, 1) auf. So konnte die erste Aufführung des heurigen Jahres ungestört vor sich gehen, und die Passionsspieler werden (bis zum 12. September 1976) ihre Botschaft an die Besucher verkünden. Helmut Stefan Milletich

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