Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Neger und Fremdarbeiter
Das Studio des Klagenfurter Stadttheaters ist auf Entdeckungen aus. Erfolg: eine interessante europäische Erstaufführung und ein Stück, das einen guten Einfall nützt, Theater in fesselnder Form zu vermitteln. Der afro-amerikanische Autor Douglas Turner-Ward hat's geschrieben und „Day of Absence“ benannt, ein Tag, an dem die Neger in einem Ort der Südstaaten durch Abwesenheit glänzen. Sie sind fort und weg und unauffindbar, und jene in den Krankenhäusern liegen im Koma, die Gefängnisinsassen aber sind „unerreichbar“. Anfängliches Bagatellisieren weicht in zunehmendem Maße der Nervosität, der Verwirrung, der Verzweiflung, denn alle die, welche das Leben annehmbar machten — als Kinderfrauen, Stra-ßensäuberer, Schaffner, Besorger niedrigster Arbeit usw. — gehen ab, da sie abgingen. Man versucht's mit Appell, Aufforderung, Beschwörung, Drohung — umsonst, keiner der Nigger, auf die man herabsah, läßt sich blicken, die Weißen aber — sie sind weißer als weiß geschminkt und so richtig „amerikanisch“ herausgeputzt mit Sternen und Streifen — gehen buchstäblich in die Knie wie der Bürgermeister vor der Fernsehkamera. Aber dann, da der Tag verging, zeigt sich wieder der erste Farbige mit Kübel und Scheuertuch. Die Welt der südlichen Kleinstadt ist in Ordnung. Dieser Alptraum ist in markante Szenen aufgelöst, wird von einer Unzahl Rollenträger (manche haben zwei und drei Aufgaben) bevölkert, die dem bestimmenden Wink der Regie — Heinz Kreindl — gern gehorchen und so zum vollen Erfolg beitragen wie z. B. der Bürgermeister Joachim Unmack, die Geschäftsleute Albert Tisal und Soelden und das Ehepaar Elfriede Schüsseleder und Manfred Lukas-Luderer, diese stellvertretend und rühmend zu nennen. Der Beifall bestätigte nachdrücklich die gute Aufnahme der Novität.
Er galt auch den Akteuren des zweiten Stückes, das unter der Regie von Michael Fischer-Ledenice als österreichische Erstaufführung herauskam, ohne —> schon um seiner Struktur willen die gleiche Wirkung zu zeitigen: Rainer Werner Fassbinders „Katzeimacher“, eine Szenen- und Szenchenfölge um den griechischen Fremdarbeiter Jorgos (von Albert Tisal ausgezeichnet gestellt) und um die Probleme, die sich für ihn und den Ort ergeben, in dem er Arbeit findet. Aber nicht diese mißgönnen ihm die Burschen und frustrierten Mädchen, sie neiden oder suchen Weit mehr die Potenz und die Wirkung, die er in Sachen Sex erreicht. Das genügt zur Beschimpfung — Katzeimacher, Kommunistensau — und zum Entschluß, ihn brutal wegzuschaffen. Die Aggression steigert sich von Worten zu Schlägen, die man Jorgos zu Ländlerbegleitung und ähnlichem Tanz ganz furchtbar verpaßt. Und er geht. Aber nicht um der Prügel willen, sondern weil ein Türke als Mitarbeiter kommen soll, und Griech' und Türk' — das wäre unerträglich. Der Dialog in einem verfremdeten Deutsch der Ortsansässigen und einem Minimum an Worten für Jorgos gefällt sich in primitiver Drastik, wenn's um die Gegend unterhalb der Gürtellinie geht, was bei manchen immer noch ankommt. Das Ensemble erwies sich als entschlossen, ambitioniert und den Rollen mit Erfolg verpflichtet, was anerkannt sei.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!