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Nicht in den Griff bekommen

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Was halten wir heute vom Menschen? Hat sich sein Büd im Gefolge täglicher Schocknachrichten nicht völlig verändert? Hans Friedrich Kühnelt fragte in seiner Komödie „Ein Tag mit Edward”, ob sich Roboter nicht vielleicht zum Menschen hin entwickeln könnten. In dem Stück „Das Karli”, das im Sonderabonnement des Volkstheaters uraufgeführt wurde, geht es um die Frage: Tier oder Mensch?

Der Vorarbeiter Meier entdeckt beim Wiener U-Bahn-Bau in großer Tiefe ein zottiges Lebewesen, halb Bär, halb Mensch, das er mit obrigkeitlicher Bewilligung nach Hause nimmt, um aus ihm einen Wiener zu machen. Trefflicher Absprung für ein Stück? Erfreulich, daß diese „vier Bilder” in Wien spielen, wie das zu Zeiten einer lebhaften Volksstückproduktion der Fall war. Aber was wurde aus Küh- nelts Ansatz? Ein Märchen für Erwachsene? Oder eine Story für den V o rstadtgeschmack?

Dieses seltsame Geschöpf, „das Karli” benannt, weü man sich zunächst über sein Geschlecht nicht im klaren ist, wird von einem norddeutschen Entwicklungshelfer, der in Uganda tätig war, und einem Wiener Biologen vom Wilhelminenberg untersucht, wobei ihn der eine zum Menschen entwickeln, der andere im tierischen Zustand erhalten will, beide geben Verhaltensmaßregeln. Konfektion schleicht sich ein: Der Norddeutsche ist hochfahrend scharfmacherisch, der Wiener gemütlich. In der Folge wird lediglich berichtet, was sich mit dem Karli außerhalb begeben hat: Es kletterte auf den Stephansturm, verursachte als Autofahrer ohne Führerschein gewaltige Autounfälle, sprengte U-Bahn-Stationen, zündete Häuser an. Aber das macht den Wienern angeblich gar nichts, es wurde ihr Liebling. Berichte, Berichte, statt eines Stücks.

Aufgefüllt wird das mit Einzelheiten aus der Bassenasicht der Vorstadt. Frau Meier betrachtet durchs Fernglas eifrig die Gewohnheiten der Geschlechtsgenossinnen gegenüber, so etwa, daß der Gaskassier etwas lange bei der Frau Nedbal bleibt. Sie hat den Putzfimmel, macht dem Mann Vorhaltungen, weil er in Caorle zu sehr nach den „nackerten Flietschen” gesehen hat. Vom Karli ist sie entzückt, dann ärgert sie sich darüber und schließlich, als sein Fell im Vorgang der weiteren Menschwerdung verschwunden ist, verführt sie ihn, den Karli, beim Wein. Das fehlte noch. Gibt der Grundeinfall wirklich nicht mehr her?

Der Mangel an Substanz wird durch aktuelle Anspielungen ersetzt, denen aber die Schärfe des Kabarettistischen fehlt. Vorstädtisches Witziges, dem man doch wohl nur mit einiger Nachsicht zuhört, herrscht vor. Das Aktuelle erstreckt sich auch noch auf den derzeit laufenden Hitler-Film, ja, Herr Meier hat nazistische Anwandlungen. Und der Entwicklungshelfer entwik- kelt das Karli mit Hilfe von Gewehr und Stahlhelm zum Militaristen, worauf es ihn erschlägt. Darum geht es also schließlich, das Demonstrationsobjekt besagt: Der Mensch ist ein Unhold, ein Gewalttäter.

Aber Frau Meier ist das nicht, der Biologe vom Wilhelminenberg ist es auch nicht, Herr Meier hat keinen umgebracht, was soll die Schlußdemonstration? Sollen wir darüber lachen, angeregt durch die Bassenaansicht und das ständige Glotzen des Karli? Dazu ist aber die Gruselperspektive, die sich aus der Demonstration ergibt, denn doch zu ernst. Die „Aussage” legiert sich nicht mit dem erstrebt ge- .mütlich Volksstückhaften.

Das Absacken der Szenen kann auch der gewandte Regisseur Oskar Willner nicht aufhalten, das hegt an dem’wenig tragfähigen „Stück.” Uwe Falkenbach gehabt sich als Karli bärenhaft, kriecht auch auf allen vieren, spricht kein Wort. AnnarMaria Eckhoff ist eine glaubhafte Frau aus der Vorstadt. Peter Hey, Joseph Hendrichs, Albert Ro- lant, Friedrich Jores haben keine nennenswerten Aufgaben. Schlichtes Bühnenbild von Maxi Tschunko. Man soll Kühnelt nicht nach diesen vier Bildern beurteilen.

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