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Wettlauf mit der Spitzhacke

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1982 bekam die Badener Gründerzeitsynagoge noch ein neues Dach. Jetzt droht der Abbruch. Oder ist er doch noch abzuwenden? Die Chance, etwas gutzumachen.

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1982 bekam die Badener Gründerzeitsynagoge noch ein neues Dach. Jetzt droht der Abbruch. Oder ist er doch noch abzuwenden? Die Chance, etwas gutzumachen.

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Hätte nicht eine kleine Gruppe engagierter jüdischer Hitzköpfe laut aufgeschrien, der Abbruch der Badener Synagoge wäre wohl schon jetzt sang- und klanglos über die Bühne gegangen. Die finstere Nacht wäre der geeignetste Zeitpunkt dafür gewesen. Wer weiß, was für „Linke“ die Aktion

sonst vielleicht doch gestört hätten, oder auch Abgesandte des „üdischen Weltkongresses“, der ja nichts anderes im Sinn hat, als Österreich ungerechtfertigterweise Rückgratlosigkeit und Flucht vor der eigenen Vergangenheit vorzuwerfen.

Vorwürfe freilich hätten uns diesmal gar nicht getroffen, weil Eigentümer des Grundstückes ja die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) ist, die aber kann und will

sich einfach nicht leisten, das Gebäude in Baden bei Wien zu Lasten ihrer Kranken und Alten zu erhalten. Sie braucht das wenige Geld, das ihr zur Verfügung steht, bitter nötig. Wer aus den Todeslagern nicht zurückgekehrt ist (193.000 Personen), zahlt nämlich keine Mitgliedsbeiträge mehr.

Zum Beten ist das Gebäude auch nicht mehr unumgänglich nötig, die Badener Gemeinde ist heute schon auch in einem kleineren Raum unterzubringen. Zudem sind Synagogen, anders als christliche Kirchen, keine geweihten Räume, sondern einfach Stätten des Gebetes.

Daß den Finanzleuten der Kultusgemeinde eine Entscheidung zum Abbruch dieses traditionsreichen Gebäudes dennoch nicht leicht fällt, kann man sich gut vorstellen. Nur: es gibt keine andere Wahl.

Aufgestachelt von Georg Chai-mowicz, Peter Eggenhofer und noch ein paar Unermüdlichen, begannen sich langsam einige Zeitungen für die Sache zu interessieren. Dem „Kurier“ gegenüber wusch der Badener Bürgermeister seine Hände in Unschuld:

„Wenn sie (die Kultusgemeinde) um Abbruch der Badener Synagoge ansucht, sehen wir keinen Grund, ihr die Zustimmung zu versagen.“

Den Abbruch muß die Kultusgemeinde nämlich selbst durchführen, weil, wer immer es pachtet, das Areal nur „unbelastet“ übernehmen wird. Niemand getraut sich, das Gebäude niederzureißen.

Seit den Badenern einige unangenehme Fragen gestellt wurden, hat Bürgermeister Viktor Wallner nun sogar eine Unterstützung zugesagt, sollte die Synagoge erhalten bleiben. Auch das Land Niederösterreich will „einen Beitrag leisten“.

Beiträge zur Renovierung aber machen die Entscheidung der Kultusgemeinde im Grunde wohl nur noch schwieriger. Wenn sie die Synagoge nämlich abreißt, bringt ihr das Grundstück einen respektablen Pachtschilling ein. Das Defizit der IKG beträgt jährlich sieben bis acht Millionen Schilling. Ihr Präsident Paul Grosz kann im Falle Baden also gar nicht anders entscheiden. „Geschäft ist Geschäft“, zitiert Peter Weiser den Vertreter der Kultusgemeinde aber in der „Ganzen Woche“ und wirft Grosz „Gesichtsverlust“ vor.

Ja, wer, um Himmels willen, müßte denn interessiert daran sein, das Gesicht zu wahren? Die Juden sind nicht in Gefahr, die blutigen Ereignisse der Reichs-

kristallnacht und den grausamen Tod ihrer Verwandten in „Ge-schichtslosigkeit“ fallen zu lassen. Das Geschäft, an dem die Kultusgemeinde interessiert sein muß, ist ja auch ohne Abbruch zu machen. Warum kauft denn das Land, die Stadt oder die Kirche nicht die Synagoge, wie sie ist, zu einem anständigen Preis, und stellt sie, restauriert, dem aktiven Tempelverein oder der jüdischen Gemeinde zur Verfügung? Die wären dann auch bereit, die Erhaltungskosten mit Veranstaltungen hereinzubringen.

Der von den aktiven Warnern gegründete „üdische Synagogen-und Kulturverein — Badener Schule“ hat eine interessante Studie erarbeitet und Kontakte mit verschiedenen Stellen dokumentiert, die solche einplanen würden. Die Badener Hotellerie hat zudem an einem würdigen Bethaus für die jüdischen Sommergäste durchaus Interesse.

Billiger ist allerdings, die Kultusgemeinde unsere „Dreckarbeit“ erledigen zu lassen.

Sind wir denn überhaupt noch zu retten? Natürlich, wir haben kein Geld, die Budgets sind alle

gekürzt. Auch der Papstbesuch war teuer. Bei eben diesem Besuch hat der Heilige Vater aber in unser aller Namen die Juden seines Mitgefühls versichert. Haben wir nichts gutzumachen? Müßten wir nicht zudem für jede Chance dankbar sein, unser Image auf der Welt wieder ein wenig in Ordnung zu bringen? Oder ist das unmöglich, weil wir so sind wie unser miserabler Ruf?

Eine weniger bekannte, aber ebenso gewichtige Nachricht in der „Neuen Hollabrunner Zeitung“ vom 13. Juli erhärtet diesen Verdacht. Dort steht als große Headline „udenfriedhof-Affaire: .Kultusgemeinde hat kein Geld!“ Schleifung?“ Aus dem Text des Artikels geht dann hervor, daß Stadtgemeinde und Arbeitsmarktverwaltung Geld für die Restaurierung des Friedhofes zur Verfügung gestellt haben. Die dazu gehörenden Gebäude können aber nicht gerettet werden, weil empörenderweise wieder einmal die Kultusgemeinde kein Geld hat und „die Behörden keine zusätzlichen Mittel aufbringen werden. Auch nicht im Gedenkjahr 1938-1988“.

Liegt ihnen denn daran? Warum sonst diese Töne?'

Unsere Kinder werden so aus den Ereignissen wirklich nichts lernen. Was sich vor 50 Jahren in unserem Lande abgespielt hat, wird bald für sie so vergangen sein wie Hannibal mit seinen Elefanten ...

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