Stolpersteine - © Pixabay/Hans Braxmeier

"Zum Genieren": Wenig Engagement für die Israelitische Kultusgemeinde

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Trotz der Einigung über eine Finanzspritze für die Israelitische Kultusgemeinde bleibt schaler Nachgeschmack: Politik wie Zivilgesellschaft engagieren sich kaum für die jüdischen Gemeinden.

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Trotz der Einigung über eine Finanzspritze für die Israelitische Kultusgemeinde bleibt schaler Nachgeschmack: Politik wie Zivilgesellschaft engagieren sich kaum für die jüdischen Gemeinden.

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Er finde die Debatte, ob man der Israelitischen Kultusgemeinde ein Darlehen gewähren solle oder nicht, "zum Genieren": Was Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny Anfang des Monats im Standard äußerte, bringt die leidige Auseinandersetzung auf den Punkt: Dass - nach KHGs Homepage-Stories - das Hickhack ums Finanzloch der jüdischen Gemeinde das mediale Sommerloch füllt, ist typisch für das nach wie vor verkrampfte Verhältnis der österreichischen Gesellschaft zu den jüdischen Mitbürgern in ihrer Mitte.

Man soll nicht unbescheiden sein, könnte man angesichts der letzten Entwicklungen der Causa einwenden: Letzte Woche haben sich Bildungsministerin und die steirische Frau Landeshauptmann mit den Vertretern der Kultusgemeinde doch geeinigt, dass neun Millionen Euro aus dem Bundesländerpaket zur Entschädigung des im Dritten Reich geraubten Gemeindevermögens sofort ausgeschüttet werden sollen...

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Das Erreichte bedeutet zweifellos einen wichtigen Schritt zur - finanziellen - Entlastung der Kultusgemeinde. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Denn die Begleittöne waren alles andere als ermutigend. Vor allem: Die Bundesregierung, von der die Kultusgemeinde eine substanzielle Erhöhung ihrer Subvention fordert, hält sich weiter unnobel zurück. Bei diesem Licht besehen haftet der Einigung über die Ausschüttung der Bundesländergelder das Odium der Halbherzigkeit an.

Angemessen gewesen wären aber schnelle Finanzspritzen des Bundes - nicht halbherzig, sondern in unbürokratischer und diskreter Selbstverständlichkeit. Es geht für die öffentliche Hand ja keineswegs um riesige Geldbeträge, sondern vielmehr um das Sichtbarmachen, dass Österreich als Staat und als Gesellschaft viel an der Existenz seiner wenigen jüdischen Gemeinden liegt. Das hat natürlich mit dem zu tun, was den österreichischen Juden vor 1945 angetan wurde und das mit Geldes Wert nicht wiedergutzumachen ist.

Solidaritätsbekundungen für die jüdischen Gemeinden waren weder von maßgeblichen Vertretern der katholischen Kirche noch aus der Ökumene zu hören.

Deswegen handelt es sich ohnedies nur um Gesten, die aber selbstverständlich und ohne viel Reden zu setzen wären. Das Ansinnen, die öffentliche Hand solle der Kultusgemeinde finanziell unter die Arme greifen, ist daher alles andere als unbillig - und schon gar keine Schnorrerei.

Und es geht beileibe nicht nur um eine Verantwortung gegenüber dunkler Vergangenheit. Denn für Juden muss es in Österreich auch eine vitale Gegenwart geben. Das ist zum einen wiederum eine politische Frage: Langfristig hängt das Weiterbestehen des österreichischen Judentums auch von der Zuwanderungsmöglichkeit von Juden nach Österreich ab. Doch die ist durch die derzeitigen, auf einer "Das Boot ist voll"-Mentalität beruhenden Migrations-Politik nicht gegeben.

Zum anderen gebührt dem Judentum auch im kulturellen wie religiösen Leben ein sichtbarer Platz: es ist unverzichtbar für die bunte Vielfalt der Gesellschaft. Wichtig - und erfreulich - dass sich wenigstens einige Künstler in den Diskussionen der letzten Wochen in diesem Sinn zu Wort gemeldet haben.

Beschämend wenige Stimmen

Nicht nur die Bundesregierung ziert sich, sondern auch die ganze Zivilgesellschaft. Wo sind etwa Wortmeldungen aus den Religionsgemeinschaften geblieben?

Nachhaltige und eindeutig klare Solidaritätsbekundungen für die jüdischen Gemeinden waren in den Diskussionen der letzten Wochen weder von maßgeblichen Vertretern der katholischen Kirche noch aus der Ökumene zu hören. Gerade den Christen stünde es hier an, Partei zu ergreifen: Interreligiöser Dialog, das Gespräch zwischen Christen und Juden muss hierzulande auch das Engagement ohne Wenn und Aber für die Existenzsicherung jüdischen Lebens in Österreich einschließen.

Doch von derartigem Einsatz ist zur Zeit wenig zu bemerken. So blieb es den "üblichen Verdächtigen" - wie dem roten Kulturstadtrat, der grünen Abgeordneten oder den von vornherein als Schwarz-Blau-Verächter geltenden Künstlern - vorbehalten, das zu tun, was selbstverständlich wäre.

Mailath-Pokornys zitierter Diagnose, die Debatte sei zum Genieren, ist - leider Gottes - voll und ganz zuzustimmen.

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