Noch ist in Mazedonien nichts gewonnen

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Obwohl die Nato bisher erfolgreich Waffen sammelt, ist sie in Mazedonien zunehmend weniger gern gesehen. Die Spannung im Land wächst.

Es war fast zu schön, um wahr zu sein: Die albanischen Rebellen in Mazedonien lieferten bei den Sammelstellen der Nato ihre Waffen mit einem Eifer ab, als hätten sie nur darauf gewartet, sie schnellstens loszuwerden. Innerhalb kurzer Zeit hatten sie von den 3.300 Feuerwaffen, die sie angeblich besaßen, an die 1.400 abgegeben - weit mehr als sie in der ersten Etappe hätten abliefern sollen. Das veranlasste einen Reporter auf einer Nato-Pressekonferenz zur Frage, ob es nicht einfacher und billiger gewesen wäre, statt über 3.000 Soldaten ins Land zu schicken, die UÇK-Kämpfer zu veranlassen, ihre Waffen bei den jeweiligen Botschaften abzuliefern.

Schon am vergangenen Wochenende verging einem allerdings die Lust zu scherzen. Es zeigte sich nämlich, dass der Kampf um Mazedonien, oder besser gesagt im Inneren Mazedoniens, noch lange nicht gewonnen ist. Schon die Verzahnung der ersten Etappe - Ablieferung eines Drittels der Waffen der albanischen Rebellen und Ingangsetzung der Ratifizierung der Vereinbarungen von Ohrid über die Besserstellung der albanischen Bevölkerungsgruppe - funktionierte nicht. Protestkundgebungen der slawischen Mazedonier verhinderten ein Zusammentreten des Parlamentes in Skopje.

Nun sieht es beinahe so aus, als existiere in Mazedonien weniger ein albanisches, als ein mazedonisches Problem. Es ist zwar schwer zu beurteilen, ob eine Mehrheit der slawischen Bevölkerung die Vereinbarungen von Ohrid ablehnt, sicher aber ist, dass diese von sehr aktiven Gruppen bekämpft werden, auch vom einflussreichen Verband der Auslands-Mazedonier. Beweise ihrer Entschlossenheit lieferten diese Kräfte bereits bei der Blockade des Grenzüberganges zum Kosovo und der Verhinderung der erwähnten Parlamentssitzung.

Diese anti-albanischen Aktivitäten wenden sich gleichzeitig gegen die Nato, die Amerikaner und den Westen im Allgemeinen - eine recht bedenkliche Entwicklung. Wenn das Kürzel "Nato" als "Neue Albanische Terror Organisaton" gesehen wird, so zeigt das die Stimmung in weiten Teilen der slawisch-mazedonischen Bevölkerung. Der Nato und dem Westen ist ja in diesen Kreisen vorgeworfen worden, nur durch ihren Druck die Vereinbarungen von Ohrid überhaupt zustande gebracht zu haben. Werden die Nato-Soldaten unter diesen Umständen überhaupt in der Lage sein, ihren Auftrag der Entwaffnung der UÇK-Rebellen innerhalb von 30 Tagen auszuführen? Es wäre möglich, aber werden sie das Land einfach verlassen können, auch wenn es unter Umständen in keiner Weise befriedet ist?

Gewehr bei Fuß

Schon hört man in hohen Nato-Kreisen Andeutungen, dass eine Verlängerung des Nato-Auftrages möglich sein könnte und es nicht bei 30 Tagen bleiben müsse. "Wenn Sie mich fragen, ob der Nato-Beschluss geändert werden kann", sagte der britische Außenminister Jack Straw, "so lautet meine Antwort, das kann man. Auf dem Balkan kann man sowieso nichts garantieren".

Dann aber müsste man natürlich den Auftrag des Nato-Kontingents ändern. Außer der Entwaffnung der UÇK-Rebellen müsste noch eine Verhinderung der Neu-Bewaffnung hinzukommen. Und andererseits müssten auf Regierungsseite Polizei und Armee veranlasst werden, Gewehr bei Fuß zu stehen. Denn sonst kommt es erneut zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.

Misstrauen, Hass und Angst sind sowieso ins Unermessliche gewachsen. Wie sollen ohne die Anwesenheit von Friedenskräften von der UÇK vertriebene slawische Mazedonier in ihre national-gemischten Dörfer zurückkehren und umgekehrt die aus dem "Kriegsgebiet" geflohene albanische Bevölkerung in ihre von der Armee zerschossenen Häuser? Ist dem von Zerfall bedrohten Lande überhaupt ohne fremde militärische Präsenz und politische wie schnelle wirtschaftliche Unterstützung zu helfen? Die internationalen Gemeinschaften werden bald Antwort auf diese Frage geben müssen.

Der Autor ist freier Publizist und war lange Südosteuropa-Korrespondent.

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