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Mazedonien-Hysterie in griechischer Politik

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Seit Monaten bemüht sich die ehemals „Sozialistische Republik Mazedonien" um internationale Anerkennung. Die Regierung glaubt, verfassungsmäßig alles getan zu haben, um nicht in den Verdacht zu geraten, einen gegen die im Land lebenden Minderheiten - vor allem Albaner - gerichteten neuen Nationalstaat geschaffen zu haben. Aber die internationale Staatengemeinschaft zögert. Alles hängt an Griechenland.

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Seit Monaten bemüht sich die ehemals „Sozialistische Republik Mazedonien" um internationale Anerkennung. Die Regierung glaubt, verfassungsmäßig alles getan zu haben, um nicht in den Verdacht zu geraten, einen gegen die im Land lebenden Minderheiten - vor allem Albaner - gerichteten neuen Nationalstaat geschaffen zu haben. Aber die internationale Staatengemeinschaft zögert. Alles hängt an Griechenland.

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Der Standpunkt Griechenlands, Skopje müsse sich für sein Staatsgebilde einen anderen Staatsnamen zulegen, da Makedonien ein historischer griechischer Landstrich sei und es daher im Norden keinen Staat gleichen Namens geben dürfe, wird seit Monaten auch mit wirtschaftlichen Druckmitteln durchgefochten. Umgekehrt ist auch Mazedonien nicht gerade zuvorkommend, griechischen Unternehmen Transittransporte nach Mitteleuropa zu genehmigen.

Schon im Tito-Jugoslawien das Armenhaus der Republik und mit nur sechs Prozent am Inlandsnationalprodukt beteiligt, liegt Mazedoniens Wirtschaft seit den serbisch-kroatischen Kriegswirren und dem Zusammenbrechen des innerjugoslawischen Marktes vollkommen am Boden.

Hohe Arbeitslosenrate

Das Bruttosozialprodukt kam in den letzten zwölf Monaten gerade auf 3,2 Milliarden Dollar. Die Industrieproduktion fiel seitdem um 18 Prozent, der Durchschnittslohn liegt bei kaum mehr als 150 DM, wobei die Inflationsrate von augenblicklich 200 Prozent im Monat die Kaufkraft weiter schmälert. Die Preise liegen selbst bei Lebensmitteln nur ein Drittel unter westeuropäischem Niveau. Konsumgüter hingegen sind nur schwer zu bekommen und dementsprechend überhöht teuer.

Die Arbeitslosenrate zeigt steigende Tendenz, 20 Prozent der 2,2 Millionen Einwohner sind offiziell arbeitslos, in einigen Orten Wie in Teto-vo und in Südmazedonien ist fast die Hälfte der Berufstätigen ohne Job. Um jedoch wirtschaftlich überleben zu können, wäre eine sofortige Finanzspritze von zwei bis drei Milliar-

den Dollar notwendig, rechnete die Weltbank vor. Doch Mazedonien besitzt derzeit lediglich eine Währungsreserve von 30 Millionen Dollar und eine nicht ins Gewicht fallende Goldreserve. Da internationale Kreditinstitute bei dieser Finanzlage keine Kre-

dite zu vergeben bereit sind, müßte Mazedonien die Unterstützung der EG und anderer Staaten heranziehen. Aufgeschlossen zeigten sich dafür bisher allein Bulgarien und die Türkei, die Skopje noch vor Rußland völkerrechtlich anerkannten. Doch wirtschaftlich unter die Arme greifen können die beiden Staaten aufgrund innenpolitischer Schwierigkeiten auch nicht. Bleibt nur Griechenland. Aber solange zwischen beiden Staaten keine politische Übereinstimmung erreicht wird, bleibt die wirtschaftliche Kooperation auf der Strecke.

Lokalaugenschein an der Grenze: Meine mazedonischen Freunde dürfen tatsächlich nicht passieren, sie lachen aber über die Abweisung. Das bürgerliche Tagblatt „Nova Mazedonia", das ich mitführe, gilt auf griechischer Seite als staatsfeindliche Lektüre. Der griechische Grenzbeamte gibt sich

(FAZ/FURCHE)

aber höflich und erklärt sofort, was ihm in Schulungen eingehämmert wurde: „Wissen Sie, seit dreitausend Jahren ist Makedonien Teil Griechenlands und immer wieder wollten es unsere Feinde uns wegnehmen.

Eine Diskussion, in die man dieser Tage überall in Nordgriechenland verwickelt werden kann. Denn das Thema „Republik Skopje", wie der neue mazedonische Staat von Griechen umschrieben wird, ist in aller Munde. Eine Landes-Broschüre auf englisch, „für alle Makedonier im Ausland", so der Untertitel, erklärt die Ängste der Griechen: Leider sei der altgriechische Landstrich Makedonien bei den Balkankriegen 1913 dreigeteilt worden. 51 Prozent der Fläche seien Griechenland zugefallen, 38 Prozent Jugoslawien und der Rest Bulgarien.

Nun hätten sich die Griechen dieser Region immer als „Makedones" gefühlt (ähnlich wie sich die Griechen in Kreta „Krites" nennen), die slawischen Völker der Serben und Bulgaren als „Mazedonci" und die Rumänen (die neben Türken dort auch seit altersher leben) als „Macedoneni". Das „nationale Gleichgewicht" sei aber erst außer Lot geraten, als 1944 der jugoslawische Staatsgründer Tito im Süden seines Landes eine neue „Mazedonische Nation" ins Leben rief, kurzerhand die dort lebenden

Serben zu „Mazedoniern" erklärte und ihnen einbleute, die eigentlichen Nachfahren des historischen Reiches Alexander des Großen zu sein.

Einer der wenigen Intellektuellen, der diese Geschichtsklitterung ins rechte Licht zu rücken versucht, ist Universitätsprofessor Nikiforos Dia-mandouros. Eine integre Persönlichkeit, die schon unter der Militärjunta der siebziger Jahre eine Menschenrechtsgruppe gründete. Der waschechte Grieche im Gespräch: „Das Land verfällt in eine Hysterie, die uns nur in eine europaweite Isolation führen kann." Anstatt den Minderheiten im eigenen Land mehr Rechte zu gewähren, sich auf ein Europa der Regionen einzustimmen, verfalle man in Repression und male das Gespenst von äußeren Feinden an die Wand, die Nordgriechenland destabilisieren wollten.

Angst vor Agenten

Er sei nie ein Titoist gewesen, wenngleich ein Linker, aber eines wisse er, Tito habe nie den Norden Griechenlands in seinen Vielvölkerstaat einverleiben wollen: „Wenn schon jemand die slawischen Mazedonier und die bulgarische Minderheit Nordgriechenlands politisch für seine Ziele einspannen wollte, dann die KKE (die KP Griechenlands), aber das dürfen Sie auch nicht laut sagen." Für Diamandouros ist die Situation fatal.

Anstatt sich der Tatsache zu stellen, daß sich in dieser Balkanregion Menschen als Volk slawischer Mazedonier fühlen, negiere man diese nationale Identität einfach, „und macht sich so in der Welt lächerlich".

Doch in Griechenland gilt die Sympathie nicht einem Professor Diamandouros, sondern Historikern wie Evgenia Koukouri, die immer wieder auf die Gefahr aus dem Norden hinweisen: Da gäbe es eine neue Banknote in Skopje, auf der der Weiße Turm von Thessaloniki abgebildet werde, es erschienen Pamphlete, in denen zur „Befreiung Großmazedoniens" aufgerufen werde, da lernten die Kinder im Unterricht, Alexander der Große sei ein Slawe gewesen.

Und nicht zuletzt versuche Skopje, Agentennach Griechenland zu schleusen, um die wenigen Griechen „slawischer Mutterzunge, aber griechischen Geschlechts" aufzuhetzen.

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