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Lachender Hellene

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So intensiv sich die junge „Hellenische Demokratie“ in den letzten Wochen mit der Zypernfrage beschäftigen mußte, so erfreulich haben sich für Athen den Sommer über die Dinge in der sogenannten „Mazedonischen Frage“ entwickelt. Diese ist zwar heute bei weitem nicht mehr so brennend wie im Ersten und im

Zweiten Weltkrieg, als sich Bulgarien unter Berufung auf echte und angebliche slawische Volksgruppen im griechischen Norden in den Besitz von Ostmazedonien setzen konnte. Auch ist die „Mazedonische Frage“ kein innenpolitisches Problem wie zur Zeit des griechischen Bürgerkrieges zwischen 1944 und 1949 mehr: die spärlichen, noch immer nicht dem Hellenentum assimilierten „Slawophonen“ in den Kreisen Florina, Edessa und Kilkis sind längst keine Kommunisten mehr, sondern treue Kinder der orthodoxen Kirche, die ihnen den einzigen Rahmen zur Entfaltung ihrer Sprache und Kultur bietet.

Dennoch hat es in den letzten Jahren nicht an Kontroversen zwischen Griechenland und Jugoslawien sowie zum Teil auch mit Bulgarien gefehlt, die Existenz und Rechte einer nur schwer zu erfassenden „mazedonischen Minderheit“ im hellenischen Norden zum Gegenstand hatten. Rumänien, das sich in früheren Jahrzehnten in diesem Raum zum Anwalt der in vielem an die alpinen Rätoromanen erinnernden Volksgruppe der Aromunen aufgeworfen hatte, ist angesichts seiner erklärt guten Beziehungen zum griechischen Militärregime nach 1967 aus diesem Spiel herausgeblieben.

In erster Linie war es Belgrad, das die „Mazedonische Frage“ gegen Athen hochzuspielen suchte. Klugerweise traten dabei aber nicht föderative jugoslawische Institutionen, sondern ausschließlich die mazedonische Teilrepublik von Skopje in Erscheinung. Im März 1973 hatten die von den Lokalpolitikern des jugoslawischen Südens und ihrem Organ „Nova Makedonija“ gegen Hellas und dessen Weigerung einer Anerkennung der „mazedonischen Volksgruppe“ in Nordgriechenland erhobenen Vorwürfe und Drohungen einen lange nicht mehr dagewesenen Höhepunkt erreicht.

Rein faktisch ist dazu festzustellen, daß die kleinen südslawischen Gruppen im griechischen Mazedonien eine Sonderstellung einnehmen, und weder von einem groß-jugoslawischen noch von einem groß-bulgarischen Nationalismus für sich in Anspruch genommen werden sollten. Sie entsprechen vielmehr im Süden der Balkanslawen jener Rolle, die in deren' Norden an der Drau die Windischen spielen. Sprachlich repräsentieren die „Mazedonen“ griechischer Bergdörfer ein eigenständiges, dem Altkirchenslawischen nah verwandtes Idiom. Dieses unterscheidet sich ebenso von dem serbisch beeinflußten „Mazedonischen“ der gleichnamigen jugoslawischen Volksrepublik, wie dem vom Bulgarischen überlagerten Dialekt der seit 1913 von Sofia verwalteten Pirin-Region. Kulturell haben sich diese slawischen Enklaven nicht erst seit ihrer Zugehörigkeit zu Griechenland, sondern schon aus byzantinischer und osmanischer Zeit zur hellenischen Kulturgemeinschaft bekannt.

Diesen Tatsachen zum Trotz waren die Attacken aus Skopje für das international damals noch empfindlichere griechische Regime vor Ausrufung der Republik nicht ungefährliche Nadelstiche. Mit um so größerer Erleichterung ist daher seit Ende August in griechischen Regierungskreisen und Presseorganen der neue mazedonische Zwist zwischen Jugoslawien und Bulgarien registriert worden. Seit seinem Ausbruch auf dem diesjährigen Warschauer Slawisten-Kongreß gibt sich Athen offenkundig der Hoffnung hin, nun den lachenden Dritten spielen zu können. Dabei liebäugelt Hellas mit der bisher schwächeren bulgarischen Seite. Bei der Septembermesse in Plovdiv sind ausgesprochen herzliche Töne angestimmt worden, die bald in die Errichtung einer bulgarischen Freihändeiszone im ostmazedonischen Hafen Kavala ausklingen sollen.

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