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Macedonia: A Switzerland of the Balkans

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Der Autor ist offenbar ein mazedonischer Bulgare, und das erklärt die These, die er seiner Arbeit voranstellt: Der Friede Europas, und damit der Welt, steht und fällt mit dem Frieden auf dem Balkan; dort aber kann ein wahrer Friede so lange nicht herrschen, als das mazedonische Problem nicht einer gerechten, billigen und einvernehmlichen Lösung zugeführt worden ist. Für eine solche Lösung hat Mihailoff ein einfaches Rezept. Was die Großmächte, und insbesondere Österreich-Ungarn und Rußland, zwischen dem Berliner Kongreß und dem Ausbruch des ersten Weltkrieges zu wiederholten Malen hätten tun können und sollen, aber nicht getan haben, das muß eben jetzt geschehen: im Zuge der kommenden Friedenskonferenz (?) sollen Jugoslawien, Griechenland und Bulgarien veranlaßt werden, die Gebiete herauszugeben, auf die, nach Mihailoffs Ansicht, der zu errichtende mazedonische Staat ethnisch begründete Ansprüche hätte. Diese Ansprüche wären nicht gerade bescheidene; der neu Staat würde ein Territorium von mehr als der doppelten Größe Belgiens umfassen, und zwar vornehmlich auf Kosten der beiden „Raubstaaten“, auf die der Autor es überhaupt scharf abgesehen hat — Jugoslawien und Griechenland; letzteres würde sogar den . größeren Teil seiner ägäischen Küste samt Saloniki und Kawalla verlieren.

Was den Autor zur Annahme berechtigt, daß eine so radikale „Flurbereinigung“ sich ohne Gewalt und Blutvergießen durchführen ließe, und ferner, daß, wie er behauptet, der mazedonische Zukunftsstaat sich von Anfang an und dauernd eines geruhsamen Wohlstandes und des tiefsten Friedens im Innern und nach außen erfreuen würde, getreu nach dem Muster der Schweiz, darüber weiß er wenig zu sagen. Vor allem übersieht er, daß die Schweizer ein stark ausgeprägtes, gemeinsames Nationalgefühl besitzen und daß es bei ihnen nicht Landessitte ist, dem anderssprachigen Eidgenossen haßerfüllt und mit dem Dolch oder der Pistole in der Hand entgegenzutreten. Bei den Bewohnern der geographisch schwer definierbaren Region, die man Mazedonien nennt, ist das anders. Dort überwiegt die Tradition der Auflehnung gegen den Staat, dem sie jeweils angehören, und des Kampfes bis aufs Messer gegen den Nachbarn eines anderen Stammes. Nichts wäre erstaunlicher, als wenn sie, zur Eigenstaatlichkeit gelangt, diese Tradition abschwören und sich das Prinzip nationaler Toleranz und friedlicher Zusammenarbeit aller zu eigen machen würden.

Das Bemerkenswerteste an dem Buch ist das Jahr seines Erscheinens. Wir schreiben 1950 und nicht mehr 1912 oder 1913, und heute haben wir, wie der Engländer sagt, ganz andere Fische zu braten als den mazedonischen.

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