Neue alte Frauenkirche

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Die im Zweiten Weltkrieg ausgebrannte Dresdner Frauenkirche, einst der bedeutendste protestantische barockeKirchenbau, wird mit gewaltigem Aufwand restauriert.

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Die im Zweiten Weltkrieg ausgebrannte Dresdner Frauenkirche, einst der bedeutendste protestantische barockeKirchenbau, wird mit gewaltigem Aufwand restauriert.

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Zur Wende vor zehn Jahren ragte von der Frauenkirche nur mehr ein löchriges Stück Apsis in die Höhe, das einen Stein- und Schuttberg vor sich bewachte, aus dem Buschwerk und Bäume wuchsen. Heute umgibt ein dicht verstrebtes Gerüst wie ein Käfig einen Sandsteinblock, der stetig in die Höhe wächst. Hauptgesims, Pfeiler und Pfeilerbögen sind fertig, der Sakralraum steht im Rohbau. 27 der 93 Meter sind geschafft.

Die Halbzeit ist erreicht, eine der schwierigsten Bauphasen beginnt: Der quadratische Kirchenbau geht über in seinen kuppelförmigen Abschluss. Elf Jahre soll der Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche dauern, so lange, wie George Bähr für den ersten Bau benötigte.

Eigentlich brauchte er ein paar Jahre länger, doch die sind auf wiederholte Bauverzögerungen zurückzuführen: Die Baukosten wurden immer wieder überschritten. Statt der 86.000 Gulden im Voranschlag waren es zum Schluss 286.000. Der Rat der Stadt hatte 1726 Bähr den Auftrag erteilt, eine neue Kirche anstelle der baufällig gewordenen "Zu unserer Lieben Frau" zu errichten. Vom Herrscher gab es damals kein Geld, da Kurfürst August der Starke als neuer König von Polen zum Katholizismus übergetreten war.

Ganz aus Stein Bähr dürfte von Anfang an im Sinn gehabt haben, eine Kirche ganz aus Stein zu errichten. Darauf deuten die besonders dicken Grundmauern hin. Genehmigt war aber nur eine Kuppel aus Holz. Bähr konnte sich durchsetzen und schuf mit dem oft mit dem Petersdom verglichenen Bauwerk das eindrucksvollste Wahrzeichen Dresdens, einer der schönsten Städte Deutschlands - bis 1945. Am Faschingdienstag dieses Jahres legte der einstündige Luftangriff der alliierten Bomber Dresden in Schutt und Asche. Die Frauenkirche blieb aber stehen. Ihr gewölbtes Dach leitete die Bomben ab.

Allerdings brannte sie aus. Zwei Tage später, Sandstein verändert sich unter Hitzeeinwirkung, stürzte die Kuppel ein. Unwiederbringlich verlorengegangen war dabei auch die größte von Sachsens Orgelbaumeister Silbermann hergestellte Orgel, die in der hervorragenden Akustik der Kirche so gut zur Geltung gekommen war.

Fast ein halbes Jahrhundert war nun die Ruine der Frauenkirche im Stadtzentrum das Wahrzeichen Dresdens. Zu DDR-Zeiten soll es mehrere Überlegungen gegeben haben, die Kirche völlig abzureißen. Doch kaum war die Wende da, formierten sich jene, die sich für die alte Frauenkirche stark machten. Aus einer Bürgerinitiative wurde eine Stiftung, heute haben all die Förderkreise in 22 Ländern 7.800 Mitglieder.

Ein bisher einzigartiges Projekt wurde begonnen. 1992 wurde mit der statischen Sicherung, ein Jahr später mit der so genannten "Enttrümmerung" begonnen. Mit deutscher Gründlichkeit wurde die Ruine in Planquadrate gerastert, der Einsturzhergang rekonstruiert und jeder wiederverwertbare Quader geborgen, vermessen und in einem nahen riesigen Regallager, mit einer Nummer versehen, zum Einbau abgelegt. 90.000 digitalisierte Fotos wurden geschossen, 79 Ordner Abschlussbericht über die Enttrümmerung geschrieben.

Spender & Sponsoren Rund 45 Prozent der neuen Frauenkirche werden auf diese Weise aus Material der alten bestehen, vornehmlich handelt es sich allerdings dabei um die unversehrt gebliebenen Grundmauern. Es ist auch eine Kostenfrage: 70.000 Schilling macht ein Quadratmeter Pfeilermauerwerk aus. Auch die neuen Steine kommen aus dem nahen Elbsandsteingebirge. An die zwei Milliarden Schilling kostet die Wiedererrichtung der fast 93 Meter hohen Frauenkirche, die einst als bedeutendster protestantischer barocker Kirchenbau gegolten hat. Knapp 500 Millionen Schilling sind noch offen.

Die meisten Beträge für den Bau kommen aus Spender- und Sponsorgeldern. So betrug die höchste anonyme Spende bisher an die 30 Millionen Schilling. Die Dresdner hängen an ihrem alten Wahrzeichen, und die Stiftung weiß es zu vermarkten: Mit Stiftungsbriefen oder mit Armbanduhren, deren Zifferblatt ein Stück Sandstein umschließt. Auf den Baustellen stellen Steinmetzgesellen kostenlos ihre Meisterstücke her. Heuer arbeitet auch die Wiener Steinmetzinnung mit.

Vor genau vier Jahren wurde die Unterkirche, früher lediglich als Abstellkeller genutzt, wiedereröffnet. Dieser historische Kern mit den fünf Meter dicken Mauern hat die Zerstörung unbeschadet überstanden. Jährlich kommt eine halbe Million Besucher in die Unterkirche. In der Mitte steht ein zwölf Tonnen schwerer schwarzer Altarstein, ein moderner Kontrast zum alten Gewölbe. Hier werden regelmäßig ökumenische Gottesdienste gefeiert, jeden Samstag Konzerte angesetzt.

Noch sind die Steine im Gewölbe nicht verfugt, das soll erst geschehen, wenn die Kuppel aufgesetzt ist. Bähr hatte vor mehr als 250 Jahren große Probleme mit seiner 12.000 Tonnen schweren Kuppel. Vier große Sanierungen wurden kurz nach der Einweihung nötig, Risse traten auf, die Pfeiler setzten sich um drei Zentimeter. Ein Jahr vor dem Einsturz wurde zum letzten Mal saniert. Diesmal sollen nicht nur die acht Pfeiler das gesamte Gewicht - 1800 Tonnen pro Pfeiler - aufnehmen, mehrfache Verstrebungen steigern die Tragfähigkeit um 60 Prozent gegenüber dem alten Bau.

Es ist ein eigenartiges Bild für den Besucher des Kircheninneren: Rundum barocke Formgebung und dennoch in der Helle und Exaktheit eines Neubaus. Auf den alten Bildern wirkt der Innenraum klein, wie im Theater saßen die 3.500 Kirchenbesucher auf Rängen rundum.

Künftig wird die Dresdner Frauenkirche 2.000 Menschen fassen. Dort, wo in den nächsten Monaten die Kuppel aufgesetzt werden soll, liegen Platten über dem Kirchenbau, durch die Gerüstverstrebungen sieht man hinaus auf Dresden, die katholische Hofkirche, die Hügel hinter der Elbe. Über die Arbeitsplattform spannt sich ein Wetterdach, das sich mit dem Wachsen der Kirche weiter nach oben hebt.

Im Winter werden die Seiten abgedeckt, der Raum wird von oben her beheizt. Heuer wurde das aus englischem Handwerk stammende Turmkreuz Dresden übergeben. Hinter der Statue von Martin Luther wartet es zu ebener Erde auf seinen endgültigen Standort an der Spitze der Frauenkirche. Als es kürzlich mittels Kran auf Originalhöhe gehievt wurde, gab es zwei Erkenntnisse für die Wiederaufbauer: Zum einen, dass es noch viel Zwischenraum zu bauen gibt, zum anderen, dass auch aus 93 Metern Entfernung jedes Detail am Kreuz zu sehen ist.

Auf die Kuppel wird die 30 Meter hohe Laterne aufgesetzt, immerhin so hoch wie ein zehnstöckiges Haus. Am Reformationstag 2005 wird es soweit sein: Die neue alte Frauenkirche wird eingeweiht. Der Termin soll halten, nicht nur wegen des Stadtjubiläums im Jahr darauf: Die Arbeiten sind ein halbes Jahr vor dem Plan.

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