Im Lauf der Geschichte gab es immer Perioden, die von gewissen Wissenschaften oder Glaubensrichtungen bestimmt wurden, in denen auch die größten Fortschritte in diesen Epochen stattfanden. In den vergangenen Jahrzehnten war das die Ökonomie und die Ökonomen hatten so etwas wie die Rolle der Priester und Schamanen alter Zeiten eingenommen.
Die Frage, die uns heute beschäftigt, ist: Wer werden die "Priester" einer Zeit sein, welche an die Stelle der Ökonomen treten werden? Wann also wird die Ökonomie an Bedeutung für uns einbüßen? Ich meine, dass die Ökonomen der Vergangenheit und Gegenwart gaben, was sie konnten, um vorwärts zu schreiten und zu einer neuen geeigneteren Theorie von der menschlichen Existenz zu kommen. Das Seltsame daran ist, dass sich die ökonomischen Lehrbücher seit dem Zweiten Weltkrieg kaum geändert haben. Ganz so als ob sich der Mainstream der Wissenschaft für seine alten Erkenntnisse bewundern wollte. Nun aber passiert etwas, das in kaum einer anderen Wissenschaft vorkommt. Die Studenten selbst wollen einen neuen und breiteren Ansatz, eine Änderung der Lehrpläne und Inhalte. Wohl auch deshalb, weil die Ökonomie gezeigt hat, dass sie nicht oder zu wenig mit den Problemen der Moderne umgehen und sie interpretieren kann.
Ich glaube es wird zwei Industrien geben, aus denen die neuen modernen "Priester" kommen werden: Kunst und Technologie. Warum sollten nicht in Zukunft jemand wie Bono der Präsident der EU sein. Personen, welche sich um die Werte bemühen, sie auch benennen und die Menschen damit ansprechen? Die Politik und die Ökonomie vermochten das in jüngster Zeit nicht. Vielleicht ist das auch ein Zeichen ihrer erschöpften gesellschaftlichen Rolle, ein Zeichen also, jene zu ersetzen, welche diese Werte bestimmen.
Der Autor ist Professor für Ökonomie an der Karlsuniversität Prag
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