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Wegbereiter der Großstadt

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DAS JOSEPHIN1SCHE WIEN. Von Fred Hennings. Verlag: Herold, Wien-München 1966. 86 Seiten, 64 Abbildungen. S 75.—.

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DAS JOSEPHIN1SCHE WIEN. Von Fred Hennings. Verlag: Herold, Wien-München 1966. 86 Seiten, 64 Abbildungen. S 75.—.

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Fred Hennings’ Wien-Bücher werden unterschätzt, wenn man sich von ihnen bloß sentimentale Heimatkunde erwartet. Wenn sie auch populär, das heißt unterhaltsam geschrieben sind und deshalb auf jeden wissenschaftlichen Apparat verzichten, was man zuweilen bedauern mag, so spekulieren sie doch nie auf den Hang zur „guten alten Zeit“. Schon von der „Ringstraßensymphonie“ mußte man sagen, daß sie — vom architekturigeschichtlichstädtebaulichen Gesichtspunkt — keine falsche Perspektive enthält, sondern die baulichen Ereignisse in höchst aufschlußreicher Weise auf die großen Linien der historischen Entwicklung und auf die tragenden Persönlichkeiten zurückführt.

„Das josephinische Wien“ verlangt vom Leser insofern mehr historisches Interesse, als die Veränderungen Wiens unter Joseph II. heute kaum noch sichtbar sind. Die vielen praktischen Maßnahmen, die die Stadt damals umgestalteten — die Neugestaltung der Glacis, die Stra ßenbeleuchtung und -bezeichnung, Pflasterung, Zuschüttung von Wasserläufen, die Errichtung von großen Zinshäusern (Bürgerspital, Trattner- hof), die Verbauung von alten Klostergärten der Innenstadt usw. — sind für die spätere Entwicklung Wiens zur Großstadt sehr wichtig gewesen, aber dann natürlich von eben dieser Entwicklung überholt worden. Auf die repräsentative Aus gestaltung einzelner Punkte der Stadt hat diese Zeit verzichtet, vielmehr muß man die Anlage von Sozialbauten, Kasernen, Straßen und die Öffnung von vorher dem Publikum verschlossenen Gärten als den Beginn moderner Stadtplanung ahsehen.

Hennings steht auch nicht an, den mit solchem Gesinnungswandel zum Praktischen!, Nützlichen verbundenen kulturellen Niveauverlust darzustellen — nicht nur, daß Joseph II. nur ein einziges anspruchsvolles Gebäude — das Josephinum in der Währingerstraße — errichten ließ; viele ältere Kulturwerte wurden auch vernichtet, oft nicht nur, um anderen Platz zu machen, sondern aus Ignoranz.

Von besonderem Interesse ist der Hinweis, daß Joseph II. der erste war, der sich dem Osten der Stadt, der Donau, dem Prater, dem Augarten zuwandte und dem barocken Ring von Repräsentationsbauten im Westen und Süden und vor allem

Schönbrunn den Rüdten zukehrte. Hier offenbart sich ein planerischer Weitblick, der leider zu sehr durch eine pedantische Sparsamkeit daran gehindert wurde, sich in großen Unternehmungen zu manifestieren, die einen starken Einfluß auf die spätere Donauregulierung und die Entwicklung Wiens über die Donau hätten haben können.

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