Das Tiroler Landestheater hat eine neue „Zauberflöte“ und das Orchester einen neuen Chefdirigenten. Beides zusammen ergibt eine durchaus sehenswerte Produktion eines vermeintlich allzu bekannten Stücks. Neben Mozart und Schikaneder steht auch Antoine de Saint-Exupéry Pate bei dieser Märchendeutung.
Der kleine Prinz fällt in Ohnmacht und es muss ihm nicht peinlich sein. Der geballten Erotik dreier Schlangenfrauen ist er nicht gewachsen. Vor dem sternflammenden Nachthimmel landete er mit seinem Asteroiden in fremder Landschaft, einer vom anderen Stern. Was immer ihm begegnet, ist neu, auch die Empfindung angesichts eines hübschen Mädchenbildnisses: „Dies Etwas kann ich zwar nicht nennen, doch fühl’ ich ’s hier wie Feuer brennen …“ Wenn ihn die drei Damen später an den Stangen des Rotlichtmilieus umgarnen, bleibt er kalt. Soviel weiß er jetzt: Mit der Liebe, die er sucht, hat das nichts zu tun.
Tamino muss kein Held sein
Axel Köhler, einst Countertenor, jetzt Regisseur und Direktor der Oper in Halle, zeigt in seiner Neuinszenierung der „Zauberflöte“ am Tiroler Landestheater die Entwicklung eines jungen Mannes, legt sich aber sonst nicht in Richtung Aufklärungsstück, Freimaurerkult, Märchensingspiel usw. fest, sondern öffnet der Phantasie den Raum. Bühnenbildner Hartmut Schörghofer unterstützt ihn mit eher kargen Bildern und Corinna Crome mit fortdeutenden Kostümen. Es ist eine hübsche Idee, Antoine de Saint-Exupérys Weltmärchen „Der kleine Prinz“ mit Mozarts und Schikaneders „Zauberflöte“ in ihrer Gemeinsamkeit von Welterkenntnis zu verbinden. Endlich wissen wir, wer Tamino ist. Er muss kein Held sein, dieser zarte, starke Prinz.
Humor und leise Ironie sind vertreten in dieser Inszenierung, die sich ohne Kitsch und Plunder zurücknimmt und Poesie freisetzt. Die drei Knaben tauchen als Boxer, Köche, Feuerwehrleute auf, wenn Köhler den Text wörtlich nimmt. Inmitten der absurd erstarrten Priesterschar spiegelt sich das Dreieckssymbol des Weisheitstempels gebrochen wider und wird so gleichzeitig zum Umriss eines Berges. Sarastro zeigt viele charakterliche Facetten und entschwindet am Ende mit dem Asteroiden. Papageno ist kein Kasperl, sondern ein Naturbursche, der sich bewusst gegen die Weisheitslehre entscheidet. Er lebt für sein Weibchen und den Becher guten Weines.
Die „Zauberflöte“ ist nicht nur achtbar, sondern vielfach besetzt, was zu stets neuen Konstellationen und Farben führt. Brigitte Fassbaenders Ensemble kann nicht weniger als drei Taminos stellen.
Klangbild voll Tiefenschärfe
Georg Fritzsch am Pult des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck nützt eine Besonderheit dieses Klangkörpers: Das TSOI hat zahlreiche Spezialisten historischer Aufführungspraxis in seinen Reihen. Also schafft der Dirigent mit Naturhörnern und -trompeten, alten Posaunen und einem dunklen, vibratoarmen Streicherklang ebenso wie mit mitunter ungewöhnlichen Tempi ein intensiviertes Klangbild voll Tiefenschärfe und befreit damit die Musik von der Unverbindlichkeit des Allzubekannten.
Der energiegeladene Sachse ist seit Saisonbeginn Chefdirigent des TSOI. Fritzsch ist Generalmusikdirektor in Kiel und wurde für zwei Jahre gewonnen. In seinem Konzert Mitte November verband er mit Debussys „La Mer“ und Strauss’ „Alpensymphonie“ die Horizonte seiner Wirkungskreise: Meer und Berge.
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