Eine Kultur der Schrift

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Die weitgehend unbekannte antike Hochkultur der Jemeniten im Wiener Künstlerhaus.

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Die weitgehend unbekannte antike Hochkultur der Jemeniten im Wiener Künstlerhaus.

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Der Jemen war nie das auserwählte Land archäologischer Forschungen wie andere Länder des Nahen Ostens", beklagt Yusuf M. Abdullah, Direktor der jemenitischen Altertümer und Museen. Dabei hat dieses Land im Süden der arabischen Halbinsel eine eigenständige Hochkultur hervorgebracht, die vom 8. vorchristlichen Jahrhundert bis in die zweite Hälfte des 6. nachchristlichen Jahrhunderts bestand und sich etwa neben den Kulturen des Zweistromlandes nicht zu verstecken brauchte. Zeitgenossen wußten Erstaunliches vom Jemen zu berichten. In den Augen der Griechen und Römer war die arabia felix, das "glückliche Arabien", ein Traumland, ein fernes Eldorado. Die Bibel berichtet von einem erinnerungswürdigen Besuch der Königin von Saba (eine der wichtigsten Städte des antiken Jemen): "Und sie kam gen Jerusalem mit sehr vielem Volk, mit Kamelen, die Spezereien trugen, und viel Gold und Edelsteine." (1 Kön, 10).

Die große Schau "Jemen - Kunst und Archäologie im Reich der Königin von Saba", eine Sonderausstellung des Kunsthistorischen Museums im Künstlerhaus, macht dieses Stiefkind der Altertumswissenschaft nun einem breiteren Publikum zugänglich.

Das Wort Jemen - arabisch: al-Yaman - bedeutet "Land im Süden". Jener Teil der arabischen Halbinsel wird von zwei mächtigen Gebirgszügen dominiert und diese Geographie war prägend für die Entwicklung der sabäischen Zivilisation: An den Gebirgen türmten sich nämlich nur zu bestimmten Jahreszeiten Regenwolken, wodurch die Bewohner gezwungen waren, ein kompliziertes Bewässerungssystem zu entwickeln, um das lebensnotwendige Wasser zu sammeln und aufzustauen. Die relative geographische Isolation schützte die Jemeniten lange vor fremden Völkern mit kriegerischen Absichten. Andererseits kam dem Jemen durch seine Lage zwischen dem Mittelmeerraum und dem Indischen Ozean eine wichtige Rolle im damaligen Welthandel zugute. Vor allem durch den Handel mit Weihrauch und anderen Duftstoffen kam das Land zu großem Reichtum.

Die südarabische Kultur war eine Kultur der Schrift. Insgesamt wurden bisher beinahe 10.000 Inschriften entdeckt, der antike Jemen hat damit mehr schriftliche Dokumente hinterlassen, als andere, der Öffentlichkeit besser bekannte Kulturen, wie etwa die der Parther, der Phönizier, der Hebräer oder der Punier. Die alten Jemeniten schrieben gerne: Hirten, Händler oder Pilger ritzten ihre Namen in Felsen ein, in Tempelruinen wurden steinerne oder bronzene Votivtafeln mit langen Texten gefunden. Die Fassaden von öffentlichen und privaten Gebäuden schmückten eingemeißelte oder plastisch ausgearbeitete Inschriften, deren Relief im Sonnenschein durch das Spiel von Licht und Schatten eine besondere Wirkung entfaltete.

Die Jemeniten errichteten gewaltige Befestigungsanlagen um ihre Städte, die in ständige Kämpfe um die Vorherrschaft verwickelt waren. Einer der beeindruckendsten Überreste der sabäischen Kultur ist der Staudamm von Ma'rib. 680 Meter ist dieser Erddamm lang, mit dessen Hilfe ein Gebiet von rund 9.600 Hektar bewässert wurde; mit dem Ertrag der somit gewonnenen Felder konnten schätzungsweise 50.000 Menschen ernährt werden. Der Damm diente nicht zum Speichern, sondern zum Anheben des Wassers auf das Niveau der Felder. Ein auf ein Drittel seiner Größe verkleinertes Modell einer der Schleusen des Dammes ist im Künstlerhaus aufgebaut worden.

Vom 8. vorchristlichen Jahrhundert bis zum Jahr 110 v. Chr. wurde Südarabien von sogenannten Karawanenreichen dominiert. In dieser Zeit erreichte der Karawanenhandel seinen Höhepunkt. Ab 110 v. Chr. bestimmten Kriegeraristokratien die südarabische Zivilisation. Eine kontinuierliche Einwanderung von Arabern und die zunehmende Bedeutung des Seehandels führten im 2. und 3. nachchristlichen Jahrhundert zum Niedergang. Als Muhammad kurz vor seinem Tod im Jahr 632 die Jemeniten aufrief, sich dem islamischen Staat anzuschließen, folgten sie ihm prompt. Zu jener Zeit wurde auch der Damm von Ma'rib zerstört und das Sabäische, das ohnehin nur mehr als Gelehrtensprache fungierte, starb endgültig aus. Als Volkssprache war es schon eineinhalb Jahrhunderte zuvor vom Arabischen verdrängt worden.

Das war das Ende der südarabischen Hochkultur.

Bis 21. Februar 1999 Künstlerhaus, Karlsplatz 5, 1010 Wien.

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