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Revision der ägyptischen Geschichte

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ZEITALTER IM CHAOS. Vom Exodus zu König Echnaton. Von Immanuel Velikovsky. Europa-Verlag, Zürich, 1962. Aus dem Englischen von I. u. A. Fuhr. 376 Seiten. Preis 24 sFr.

Die Chronologie der ägyptischen Dynastien war bisher die Richtschnur für Datierung aller Funde im Vorderen Orient. Man glaubte, durch den jahrzehntelangen Gebrauch einer an Hand von ägyptischen Kunststilen aufgestellten Zeitfolge die früheste Geschichte der afrUi-asiatiSchen Ho6hkifltüren. fixiert zu haben. Neuere Funde aber, die ohne Bedenken nach dem alten Schema datiert wurden, brachten nun seltsame Erscheinungen zu Tage. Vor

allem war es immer unbegreiflich, wie die Geschichte des jüdischen Volkes, das selbst eine eigene und sehr genaue Geschichtschreibung kennt, mit der ägyptischen Geschichte in Einklang zu bringen ist. Zur Zeit, da ägyptische Quellen vom Reich in Paliistina sprechen, können nach der alten Datierung die Juden nicht mehr dort sein, oder noch nicht dorthin zurückgekehrt sein. Man sprach also von einer vorisraelischen kanaanitischen

Kultur, die seltsamerweise bis in kleinste Einzelheiten, in Kunst, religiöser Überlieferung und so weiter mit den 600 Jahre später dort auftauchenden Juden übereinstimmt. Ziehen wir aber die jüdischen Quellen (das alte Testament) heran und vergleichen wir diese mit der ägyptischen Geschichte (nach alter Datierung), so stimmt wiederum nicht überein, daß die Ägypter in ihrer höchsten Blütezeit in diesen Quellen überhaupt nicht genannt werden, sondern von einem mächtigen Reich der Amalekiter gesprochen wird, das über Ägypten, Palästina und Syrien herrscht, diese aber sind ein arabischer Volksstamm.

Immanuel Velikovsky legt in „Zeitalter im Chaos“ eine genaue Untersuchung dieser Zeit unter Berücksichtigung aller in Frage kommenden Quellen vor und kommt dadurch zu einer neuen Chronologie der ägyptischen und vorderasiatischen Geschichte. Der Exodus der Juden aus Ägypten ist geschichtlich zu fixieren, denn hier stimmen ägyptische Datierung und jüdische Überlieferung, wenn man sie ernst nimmt, überein, außerdem läßt sich zeigen, daß zu jener Zeit Katastrophen riesigen Ausmaßes sich ereigneten. Der Exodus muß Mitte des 16. Jahrhunderts v. Chr. stattgefunden haben. Darauf folgt in Ägypten die Fremdherrschaft der Hyksos, nach jüdischer Überlieferung der Amalekiter, und zwar von mindestens 500 Jahren. Bisher rechneten die Ägypto-logen 100 bis 200 Jahre, wodurch natürlich alles spätere vordatiert wurde. Um das Jahr 1000 v. Chr. müßte nach jüdischer Tradition das große Reich König Salomons gewesen sein, nachdem vorher König Saul und David die Vormachtstellung der Amalekiter gebrochen hatten. Es waren also auch die Israeliten, die Ägypten von den Hyksos befreiten. In der auf die Hyksos folgenden Zeit ist die einzige ägyptische Herrscherin genannt: Hatschep-sut, nach jüdischer Überlieferung die Königin Saba, Herrscherin über Ägypten und Äthiopien.

Stück um Stück vergleicht Velikovsky die ägyptische und jüdische Geschichte und zieht auch noch Quellen der Assyrer-Babylonier und der neuesten Funde in Ugarit heran. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang der Briefwechsel des Königs Echnaton mit den Vasallenkönigen in Syrien und Palästina, der sich mit der biblischen Geschichte bis in die Namen hinein und in der Aufeinanderfolge der Ereignisse ganz genau deckt.

Velikovsky verwirft ganz entschieden die bisherigen Konstruktionen, die von einer ähnlichen vorjüdtschen“ Kolfui^sprei~ chen wollen/Welche sich nicht nur in den Ereignissen, sondern auch in der Art der Bauten, ja sogar in der Art der Sprechweise und Ausdrucksweise — wie sich an Hand der Briefe (Fund aus teil el-Amarna) und dem biblischen Bericht (vor allem der Könige) findet — wiederholt haben soll.

Bisher war auch archäologisch völlig ungeklärt, wie auf Cypern und in der gegenüberliegenden Stadt Ugarit die gleiche Art der Bauten, nur um 600 Jahre verschoben, auftreten konnte. Ebenso ungeklärt war der Brief des Königs von Tyrus an den Pharao, daß er dem Ansturm des Königs Salmaiati aus Nordsyrien weichen müsse und mit Schiffen zur Suche nach einer neuen Heimat aufbricht, und daß gerade 600 Jahre später die Phönizier und Karer dem Druck des assyrischen Königs Salmanassar III. weichen müssen und mit Schiffen aufbrechen, um sich in Karthago eine neue Heimat aufzubauen.

Immanuel Velikovsky hat den Versuch unternommen, mysteriöse 600 Jahre der Geschichte, die sich durch ungenaue Datierungen verdoppelt zu haben scheinen, aufzudecken, und schlägt eine völlig neue Chronologie für die, für alle anderen Völkerschaften jener Zeit' bindende, ägyptische Geschichte vor. Nun haben die Ägyptolo^en das Wort, sich anzuschließen oder die Fülle des vorgelegeten Materials auf ihre Weise befriedigend zu deuten, um jene eigenartige Verdopplung der Geschehnisse zu erklären.

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