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Rettung vor den Fluten des Nil

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Die UNESCO hat sieh in einem Aufruf vom 25. Februar 1960 an ihre Mitgliedstaaten gewandt, zur Rettung der infolge des Assuan-Dammes von der Überflutung durch den Nil bedrohten altägyptischen Denkmäler nationale Komitees zu bilden. Es ist geplant, die durch den Stausee betroffenen Heiligtümer abzutragen und an anderen Stellen wieder aufbauen zu lassen, die Felsentempel von Abusimbel (des Königs Ramses II. und seiner Gemahlin) sowie die Tempel der Insel Philae aber durch mächtige Dämme aus dem Stausee auszusparen. Vorher sollen aber die Reliefs und Inschriften der Tempel sorgfältig aufgenommen und abgeschrieben werden. Weiterhin ist geplant, das ganze künftig überflutete Gebiet durch Grabungen archäologisch zu untersuchen, um die Geschichte des Landes von der Urzeit an zu verfolgen.

Bei diesem Anlasse dürfte es berechtigt erscheinen, die Aufmerksamkeit der geschichtlich interessierten Öffentlichkeit Österreichs auf die erfolgreichen Arbeiten der Akademie der Wissenschaften in Ägypten und in Nubien zu lenken.

Im letzten Drittel des 19 lahrhunderts, da die Österreichische Akademie der Wissenschaften begonnen hatte, mit anderen Nationen durch Forschungsreisen in Ländern alter Kultur in Wettbewerb zu treten, begann auch für die Ägyptologie eine Hochblüte innerhalb der Akademie. Der führende Forscher sowohl an der Universität wie in der Alademie war damals Leo Simon R e i n i s c h, Mitglied der Akademie der Wissenschaften von 1879 bis 1919; er war der Begründer der gerade für Wien so charakteristischen Verbindung von Ägyptologie und Afrikanistik, also der Erforschung des alten Ägypten und der heutigen Sprachen und Kulturen der Völker Afrikas. Reinisch hat später in Hermann Junker, Mitglied der Akademie seit 1919, und Wilhelm C z e r m a k, Mitglied seit 1939 bis 1953, bedeutende Mitarbeiter gefunden, von denen der erstere das Forschungsgebiet der Ägyptologie in der Richtung auf die Kunst, der letztere auf die Religion Altägyptens erweiterte.

Die archäologischen Forschungen der Akademie in Ägypten begannen mit den von Hermann Junker durchgeführten Ausgrabungen auf den altägyptischen Friedhöfen von Turah 1909/10, El Kubanieh 1910/11 und von Ermene und Toschke 1911/12. Sie erreichten ihren Höhepunkt an einem geschichtlich bedeutenden Objekt, nämlich in den Grabungen von 1912, 1913 und 1914 auf dem großen Friedhofe bei den Pyramiden von Giza.

Die Erforschung lebender afrikanischer Sprachen galt namentlich dem Nübischen. Sie wurde von Reinisch durch die Abhandlung „Die sprachliche Stellung des Nuba“ 1911 eingeleitet. Im gleichen Jahre unternahmen auf Anregung von Reinisch und im Auftrage der Akademie Hermann Junker und Heinrich Schäfer eine Reise zur Aufnahme der Sprache Nordnubiens; dem gleichen Zweck diente eine zweite Reise der genannte Gelehrten im folgenden Jahre und eine weitere von Wilhelm Czermak 1913/14. Die Ergebnisse sind in den drei von der Akademie veröffentlichten Abhandlungen „Kordofän-nubi-sche Studien“, 1919, und „Nubische Texte im Kenzidialekt“, 1921 und 1931, niedergelegt.

Der erste Weltkrieg und die ihm folgende Notzeit unterbrachen beide Arten von Unternehmungen. Erst 1925 konnte Junker die Grabungen bei Giza wiederaufnehmen und durch fünf Jahre bis 1929 fortsetzen. 1929 erschien der erste Band des monumentalen Werkes „Giza“, Grabungen auf dem Friedhof des Alten Reiches bei den Pyramiden von Giza; 1955 wurde es mit dem zwölften Band abgeschlossen. Das Werk gibt nach einer Beschreibung des für diesen Friedhof charakteristischen Grabtypus der Mastaba, eines über dem eigentlichen Grabraum sich erhebenden rechteckigen Hügels mit abgeschrägten Seiten, die Darstellung der einzelnen Monumente nach Bauart und Persönlichkeit des Bestatteten, mit der Abbildung aller Reliefs und Inschriften und einem Kommentar hiezu.

Eine zweite archäologische Unternehmung der Akademie in Ägypten waren die Forschungen im Nildelta. Sie begannen mit einer Grabung Junkers 1927/28 und wurden durch Grabungen von OswaldMenghin 1929 bis 1932, 1934, 1937 und 1939 fofigeie&t,''&ie vornehmlich der von den heutigen Bewohnern der Nachbardörfer „Merimde“, das heißt Aschenplatz, genannten Fundstätte von Benisalame galten; durch sie wurde eine neolithische Siedlung, die bis in die Zeit vor 4000 zurückreicht, aufgedeckt.

Die jüngsten Arbeiten der Akademie führen unmittelbar in die Zone der bedrohten Gebiete. Bei der Aufnahme der von der Flut betroffenen Tempel sowie ihrer Reliefs und Inschriften hatte man gerade die wichtigsten Denkmäler, die Heiligtümer auf Philae, nicht berücksichtigt. Hier griff nun die Akademie ein. Schon 1908 hatte Junker mit dieser Arbeit begonnen. Nach mehrfachen Unterbrechungen gelang es, sie nach dem zweiten Weltkrieg so zu fördern, daß 1955 mit der Herausgabe des Werkes begonnen werden werden konnte. 1958 erschien der erste Band: „Der große Pylon (Toreingang) des Tempels der Isis auf der Insel Philae.“ Der nächste soll das sogenannte Geburtshaus des Sohnes der Isis, des Gottes Horus, behandeln. Auch hier wurden alle Reliefs und Inschriften abgebildet, übersetzt und erläutert.

Hermann Junker, obwohl im 83. Lebensjahr Stehend, arbeitet noch mit unverminderter Schaffenskraft an diesem Werke, unterstützt von seinem Mitarbeiter Dr. Otto Daum, dem die ebenso wissenschaftlich wie technisch exakten Zeichnungen verdankt werden. So werden diese Denkmäler, auch wenn ihre Rettung nicht gelingen sollte und sie einstmals für immer unter den Fluten des Nils verschwunden sein würden, nicht nur dem Gedächtnis, sondern auch im Bild der Nächwelt durch die Arbeiten der Österreichischen Akademie und ihres großen Ägypto-logen Hermann Junker erhalten bleiben.

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