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Oesierreichische Kulturbeziehungen zu Aegypten

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Bereits zu Anfang des XIX. Jahrhunderts steht Österreich in engen Beziehungen zu Ägypten. Sie werden 1820 betont durch die Entsendung eines der hervorragendsten Diplomaten Österreichs, des Grafen Anton von Prokesch-Osten nach Ägypten, der sich hier in solch hohem Grade das Vertrauen Mohammed Aly- Paschas zu erwerben verstand, daß er 1833 nach Kairo berufen wurde, um den Frieden zwischen Mohammed Aly und der Pforte zu vermitteln. Graf Prokesch hat über seine Tätigkeit in Ägypten ein ausführliches Referat erstattet. Vermutlich auf seine Anregung hin wurden dann im September 1836 österreichische Montansachverständige im Auftrag des Vizekönigs Mohammed Aly nach Syrien gesandt, und ihr Vorstand, Bergverwalter Rußegger, nach Nubien und dem Sudan geschickt, wo er bedeutende Vorkommen an Eisen, Kupfer, Silber und Gold erschloß. Nicht minder bedeutsam für die Beziehungen zwischen beiden Ländern war Alfred von Kremer, der Ägypten 1849—1851 bereiste, 1852 als Dolmetscher des österreichischen Konsulats, 1858 als Vizekonsul und 1859 ls Konsul in Kairo tätig war und das Land gründlich kennen- lemte. Er wurde 1876 als Vertreter Österreichs in die ägyptische Staatsschuldenkommission berufen. Als im selben Jahre vom Khediven Ismail die gemischten Gerichtshöfe gegründet wurden, nahmen auch Österreicher an dieser Institution teil: die ersten beiden österreichischen Richter waren Alfred Bargher und Anton von Korizmics. Damals — in den Jahren 1874—1880 — war die österreichische Kolonie außerordentlich stark; sie zählte 6300 Personen, die meist im Wirtschaftsleben, besonders auch in der Hotellerie, tätig waren. Von ganz hervorragender kultureller Bedeutung aber war ein Mann, der sich in seiner Heimat als Ingenieur um das österreichische Eisenbahnwesen verdient gemacht hatte, Ne- grelli. Er hat auf Einladung der ägyptischen Regierung 1847 und 1855/56 genaue Terrainuntersuchungen am Isthmus von Suez vorgenommen und 1856 seinen genialen Plan zum Durchstich des Kanals entworfen, der der Kommission in Paris vorgelegt und von dieser gebilligt wurde. Negrelli wurde daraufhin von Said Pascha zum Generalinspektor der Suezkanalarbeiten ernannt, starb aber im selben Jahre. Seine Pläne wurden von Les- seps angekauft und zur Durchführung gebracht; aber die Tatsache bleibt bestehen, daß damit nur die geniale Planung eines österreichischen Ingenieurs in die Tat umgesetzt worden ist. Die Teilnahme Kaiser Franz Josephs an den Eröffnungsfeierlichkeiten 1869 hat diese Tatsache noch unterstrichen.

Das Interesse Kaiser Franz Josephs an Ägypten war übrigens nicht auf diese eine Gelegenheit beschränkt: er hat sich als „Apostolische Majestät" inbesondere am Ausbau der koptisch-katholischen Kirche beteiligt. Eine Reihe koptischkatholischer Kirchen, zum Beispiel jene in Alexandria, sind auf seine Kosten erbaut oder restauriert worden, eine Tatsache, die auch inschriftlich an diesen Kirchen festgehalten ist.

Auch auf anderen Gebieten waren Österreicher führend beteiligt. So hat Dr. Alexander Reyer-Bey, der 1848 von Abbas Pascha nach Ägypten berufen wurde, als Professor der Chirurgie und Direktor der Chirurgenschule des Kasr- el-Aini-Hospitals gewirkt, wurde 1852 Leibarzt des Vizekönigs und 1854 von Said Pascha zum Präsidenten des obersten Gesundheitsrates und Direktor des Kars-el-Aini-Hospitals ernannt, wo er bis 1860 wirkte. Nicht zu vergessen ist ferner die Tätigkeit Slatin-Paschas im

Sudan, der 1879 von Gordon-Pascha zum Generalinspektor des Ostsudans und Sennars ernannt, dann in Darra und 1882 als Generalgouverneur von Darfur wirkte.

Früh schon haben sich Österreicher auch um die archäologische Forschung in Ägypten verdient gemacht. Die Begründung der Ägyptologie in Österreich war dem Umstand zu verdanken, daß der Bruder Kaiser Franz Josephs, Erzherzog Max — nachmalig Kaiser von Mexiko — 1855 bei seinem Besuch in Ägypten vom Khediven Abbas-Pascha eine ganze Reihe von Gegenständen aus der Sammlung ägyptischer Altertümer zum Geschenk erhielt, die in der Zitadelle untergebracht waren und den Grundstock des nachmaligen Museums von Bulaq bildeten. Dr. Leo Reinisch — der nachmalige berühmte Afrikanist — wurde mit. der Verwaltung dieser Sammlung, die Erzherzog Max in seinem Schloß Miramare aufstellte, betraut. Als dann in Wien die erste Lehrkanzel für Ägyptologie in Österreich errichtet wurde, wurde Reinisch auf diese ernannt. Durch die stark zunehmenden Erwerbungen ägyptischer Altertümer für die Sammlungen des Kaiserhauses fiel diesem Lehrstuhl erhöhte Bedeutung zu, und als nach Reinischs Emeritierung und Jakob Kralls Tode Hermann Junker auf diese Lehrkanzel kam, begann auch eine umfassende Ausgrabungstätigkeit Österreichs. Der Österreicher Prof. Oswald Menghin hat sich hier im Verein mit dem Ägypter Prof. Mustapha Arair verdient,u gemacht; Junkers Werk an den Pyramiden, das mit dem zweiten Weltkrieg zum Stillstand kam, ist inzwischen an anderen Grabungsstellen durch die Ägypter Prof. Selim Hassan, Prof. Abd al-Mun' im Abu Bakr und durch Direktor Ahmad Fakhri mit bestem Erfolg fortgesetzt worden.

Diese Tätigkeit hat Österreich mit anderen Staaten geteilt, aber auf einem Gebiet war es ein Österreicher, der weitschauend die Initiative ergriff — auf dem Gebiet der islamischen Archäologie. Schon zu Beginn seiner Tätigkeit als Architekt des Wakf- Ministeriums hat der mit Restaurierungs- arbeiten betraute Grazer Julius Franz 1881 dis Bedeutung der Erhaltung islamischer Kunstgegenstände und Denkmäler erkannt und begonnen, diese in einem Raum der Hakim-Moschee zusammenzutragen. Dies war der Beginn des Musėe de Tart Arabe, als dessen Direktor Franz 1883 ernannt wurde. 1892 wurde wieder ein Österreicher, Max Herz, auf diese Stelle berufen und hat sich um die Ausgestaltung des Museums dauernde Verdienste erworben.

Es darf aber auch nicht vergessen werden, daß für einen sehr wichtigen Zweig der Altertumswissenschaften, die Papyrologie, Österreich bestimmend mit eingegriffen hat. Als 1882 die epochalen Papyrusfunde von Medinet el-Fayyum und Ehnasiya zusammen mit den Textilfunden aus dem Fayyum und aus Akhmim durch Vermittlung des kunstsinnigen Österreichers Theodor Graf nach Wien kamen, da war es der Großzügigkeit Erzherzog Rainers zu danken, daß diese größte nach ihm benannte Sammlung kostbarer Urkundenschätze der Antike und des islamischen Mittelalters in Wien blieb. Mit Hilfe dieser Sammlung ist ein wichtiger Zweig der historischen Forschung, die arabische Papyrologie, von Josef von Karabacek neu begründet und vom Schreiber dieser Zeilen noch wesentlich weiter ausgebaut worden.

Die durch Reyer-Bey begründete traditionelle Wertschätzung österreichischer Medizin blieb auch später in Geltung; Dr. Kautzky-Bey war Leibarzt des

Khediven Abbas II. Hilmi, und andere haben bis heute eine segensreiche ärztliche Tätigkeit ausgeübt, übrigens haben auch in der Industrie Österreicher sich hoch verdient gemacht. Diese blühende Tätigkeit von Österreichern in Ägypten ist durch den Ausbruch des ersten Weltkriegs nahezu vernichtet worden, auch die starke Kolonie sank auf etwa 1500 Personen. Aber bald nach Beendigung des Krieges beginnt der Einfluß im kulturellen Leben sich wieder geltend zu machen, vor allem auf dem Gebiet der Musik. Dr. Oskar Stroß gründete 1921 in Alexandria die Sociėtė des concerts, 1924 in Kairo die Sociėtė de Musique. Es folgten Gastspiele der Wiener Oper und österreichischer Musiker und Musikverbände, und auch nach dem zweiten Weltkrieg wurden von Taher Pascha die Wiener Philharmoniker 1950 nach Kairo und Alexandria geholt. Andererseits ist auch für ägyptische Schriftsteller durch die Aufführung von Bishr Fares' „Scheideweg" in Salzburg 1951 der Weg ins österreichische Kunstleben erschlossen worden.

Die Wertschätzung österreichischer Wissenschaftler kam nun in steigendem Maß durch die Berufung österreichischer Gelehrter zur Geltung. So hat Dobrets- berger in den Kriegsjahren als Wirtschaftswissenschaftler an der von König Fuad I. gestifteten Universität gewirkt; schon vor dem zweiten Weltkrieg haben Junker, Menghin und Czermak hier Vorlesungen gehalten. Als Orientalist und Papyrologe wurde ich selbst 1949 auf die Lehrkanzel für islamische Archäologie und Geschichte der Fuad-I.-Universität berufen. Die Physiker G. Ortner und Reitz wirken heute als Professoren der naturwissenschaftlichen Fakultät dieser Universität, ebenso Prof. Priesner. Der Brückenbauer Prof. F. Reinitzhuber, der Chemiker Prof. Paur und der Kieferchirurg Prof. H. Mattis wirken an der Farouk- Universität in Alexandria. Im Kunstleben spielen der Porträtist und Landschaftsmaler John Ralf (1925 bis 1940) und L. C. Rainer eine bedeutende Rolle.

Die Universität Innsbruck hat im Sommersemester 1951 den Professor der Semitistik an der Fuad-I.-Universität Prof. Dr. phil. habil. Murad Kamil zu Gastvorlesungen eingeladen und damit einen Austausch von Professoren von Staat zu Staat in die Wege geleitet, der sich sehr bedeutsam für die kulturellen Beziehungen auswirken wird. Leider verfügt Österreich noch nicht, wie andere Staaten, in Kairo über ein österreichisches Institut. Andererseits besteht aber durchaus die Möglichkeit, daß in naher Zukunft seitens Ägyptens im Rahmen eines gegenseitigen Kulturabkommens nach dem Vorbild der ägyptischen Institute in Algier, Athen, Madrid und Rom auch in Österreich ein ägyptisches Institut errichtet wird. Hiezu könnte der Umstand fördernd beitragen, daß seitens der Universität Innsbruck ein großes internationales College geplant ist, in dem auch Ägypten ein eigenes Heim mit Internat für ägyptische Studenten und Gastprofessoren, Vortragsräumen usw. erhalten könnte. Die Vorbereitungen dazu sind bereits eingeleitet.

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