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Die Bibel ist erstaunlich historisch

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Eine Welle archäologischer Entdeckungen verwandelt die alten Vorstellungen über die Wurzeln des Christen- und des Judentums -und bestätigt, daß die Bibel historisch genauer ist, als viele Gelehrte bisher dachten. Das sind zwei der Hauptschlüsse, die nach zwei Jahrzehnten intensiver Untersuchungen von Ruinen und Fabrikaten des Nahen Ostens und anderer Gegenden gezogen werden können.

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Eine Welle archäologischer Entdeckungen verwandelt die alten Vorstellungen über die Wurzeln des Christen- und des Judentums -und bestätigt, daß die Bibel historisch genauer ist, als viele Gelehrte bisher dachten. Das sind zwei der Hauptschlüsse, die nach zwei Jahrzehnten intensiver Untersuchungen von Ruinen und Fabrikaten des Nahen Ostens und anderer Gegenden gezogen werden können.

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Nicht alle neuen Erkenntnisse legen eine wörtliche Auslegung der Bibel nahe, und manche der Behauptungen wurden weithin kritisiert. Holzfragmente, die in einem Film als wahrscheinliche t)berbleibsel von Noes Arche bejubelt wurden, haben sich bei einer Kohlenstoff-l4-Untersuchung als Gegenstände des Jahres 700 n. Chr. erwiesen.

Als weit hergeholt wurde auch der Hit-Film „Raiders of the Lost Ark*' abgetan, dereine vermutliche Entdekkung der im Original 3500 Jahre alten Bundeslade mit den Steintafeln der Zehn Gebote beschrieben hatte. Das älteste jemals im alten Palästina gefundene Gefäß dieser Art wurde letzten August von drei amerikanischen Gelehrten als Imitation aus der Zeit um 300 n. Chr. beschrieben.

Ungeachtet dessen stimmen viele Wissenschafter darin überein, daß ein Großteil jüngster Forschungen einen, wie der Archäologe Lawrence Stager von der University of Chicago es nannte, „soliden Kern historischer Genauigkeit in der Bibel" erwiesen hat.

Einige der augenfälligsten Ergebnisse wurden von europäischen und amerikanischen Gelehrten berichtet, die mit Instrumenten des Weltraumzeitalters das Leichentuch von Turin untersucht. (Die FURCHE hat wiederholt darüber berichtet.)

Bis vor kurzem haben die meisten Wissenschafter die biblischen Städte von Sodom und Gomorrha als legendäre Lokalitäten abgetan. Jetzt vermuten zwei in der Fachwelt geschätzte amerikanische Archäologen, Walter E. Rast und R. Thomas Schaub, die Überreste jener Städte gefunden zu haben - und außerdem die drei weiteren Siedlungen, die in der Genesis als „Städte in der Ebene" angeführt werden.

Die Ruinen fanden sich, wo die Bibel sie hinveriegte - innerhalb weniger Kilometer vom Toten Meer. Außerdem scheinen mindestens drei dieser Städte von Feuer zerstört worden zu sein, von dem die Bibel erzählt, daß es „vom Himmel regnete", als Gott zürnte. Die Städte dürften alle zur selben Zeit zerstört worden sein - zwischen 2300 und 2400 v. Chr.

Eine jüngst übersetzte Tafelinschrift könnte neues Licht auf eine scheinbar wunderbare Erzählung der Bibel über den Auszug der Hebräer aus Ägypten Licht werfen.

Das historische Dokument gibt, so wird berichtet, die ägyptische Version dieser Erzählung wieder und beschreibt, wie der Pharao rebellierenden „asiatischen . . . Einwanderern" gestattete, wieder auszuwandern, und wie ihre „Fußspuren" von einer Flut „verschlungen" wurden ...

Eine beachtenswerte Abweichung ist das dem Ereignis zugeschriebene Datum - 1477 v. Chr., ungefähr 200 Jahre früher als bisherige Datierungen des Exodus.

Der Übersetzer, ein prominenter Ägyptologe der John-Hopkins-Universität, Hans Goedicke, vermerkt einen katastrophalen Vulkanausbruch, der damals die heute Santorin genannte Mittelmeerinsel zerstörte. Er meint, der Ausbruch könnte die biblischen „Feuersäulen" und die Flutwellen erzeugt haben, die die Truppen des Pharao ertränkten.

Diese Entdeckungen, argumentieren die Gelehrten, könnten, falls sie als richtig erwiesen werden, die Ansicht widerlegen, daß Genesis und Exodus, die beiden ersten Bücher der Bibel, kaum geschichtliche Fakten enthielten, weil sie jahrhundertelang nur mündlich überiiefert worden seien.

Statt dessen erwiesen nach P. Cario Martini, dem Rektor des Päpstlichen Bibelinstitutes in Rom, die neuen Beweismittel, daß „die Erinnerungen der Hebräer, die später in der Bibel niedergelegt wurden, sehr alt und sehr. gcschichtsbczogen waren".

Zusätzliche Beweismittel förderte das Unternehmen „US Geological Survey" zutage, das die Lage der 3000 Jahre alten Bergwerke König Salomons entdeckt zu haben glaubt. Die Wissenschafter dieses Unternehmens untersuchten ein aufgelassenes Goldbergwerk in Saudi-Arabien, in dem viele alte Steinwerkzeuge umheriagen und das an einer Hauptverkehrsstraße nach Israel liegt.

Sie fanden, daß deren Edelmetall dereinst ausreichte, um die 1086 Talente (31 Metertonnen Gold) zu erzeugen, von der die Bibel berichtet, daß sie nach Jerusalem gebracht wurden.

Eine weitere Enthüllung außerbiblischer Schriften besteht in der Vermittlung der Erkenntnis, daß viele christliche Lehren nicht so radikal erstmalig waren, wie bisher geglaubt worden ist.

Das ging insbesondere auch aus der jüngsten Veröffentlichung der Texte der leuten Schriftrollen vom Toten Meer hervor, die lange verioren waren und 1947 in Qumran am heute israelisch besetzten Westufer des Jordan wiederentdeckt worden sind.

Der Text zeigt, daß die Verfasser, eine kleine Judensekte, «in Ende der alttestamentarischen Praktiken der Polygamie und der Ehescheidung schon mehrere Generationen vor Jesus gepredigt haoen. Einer der Schriftrollenübersetzer, Prof. Jacob Mil-grom von der University of California, argumentiert, Johannes der Täufer könnte diese und andere Lehren aufgegriffen haben, als er nahe Qumran lebte.

..Außerdem berichtet uns die Schrift, daß Jesus drei Jahre in der Wüste verbrachte", meint Milgrom. „Wo sonst als bei Gleichgesinnten in Qumran sollte er gewesen sein?"

So manche wichtige Entdeckung wurde durch Zufall gemacht. Das geschah etwa, als griechisch-orthodoxe Mönche kürzlich das Mauerwerk des alten St-Katharinen-Klosters am Fuß des Berges Sinai niederrissen und darin Tausende von Pergament- und Papyrusfragmente fanden, von denen einige Bibelstellen aus der Zeit um 300 n. Chr. enthielten.

Die dramatischeste Entdeckung: acht bisher unauffindbare Seiten des Codex Sinaiticus, einer unbezahlbaren griechischen Version des Alten Testamentes aus dem vierten Jahrhundert, die im selben alten Kloster vor 130 Jahren ausgegraben worden ist.

Frühe Texte wie diese sind wichtig bei der Prüfung der Frage, ob sich in spätere Bibelversionen beim Übersetzen und Abschreiben Entstellungen eingeschlichen haben. Im allgemeinen, so meint Suzanne Singer, die Mitherausgeberin von „Biblical Ar-chaelogy Review", „scheint es kaum viel Änderung gegeben zu haben, weil jüngst entdeckte Texte ziemlich komplett mit denen übereinstimmen, die wir bisher gekannt haben."

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