6558396-1948_35_03.jpg
Digital In Arbeit

Frühe Sorgen

Werbung
Werbung
Werbung

„Nigro Digest“, eine amerikanische Negerzeitschrift, beridatete kürzlich, daß auch der neue Staat Israel unter seinen jüdischen Bürgern bereits ein nationales Problem zu lösen hat. Es gibt in Palästina nämlich etwa 40.000 schwarze Juden. — Das heimatlose israelitische Volk ist einst über die ganze Welt verstreut worden; dabei vermischte es sich nicht nur mit seinen Wirtsvölkern, sondern machte auch Proselyten unter den Heiden. So flohen im 7. Jahrhundert v. Chr. Juden vor der babylonischen Unterdrückung nach Afrika, bekehrten einen ganzen Stamm und errichteten ein jüdisches Königtum in Äthiopien, das jahrhundertelang bestand. Andere wurden in den Sudan, nach Indien und Cochinchina versprengt. Eine fünfte Gruppe „farbiger“ Juden aber, von der die schwarzen Einwanderer in Palästina stammen, befindet sich in Jemen, dem einstigen südarabischen Königreich der Königin von Saba. Dort leben sie als geschlossene jüdische Gruppe, rassisch nicht wesentlich von den sie umgebenden Arabern verschieden, denn wie bei diesen schwankt ihre Hautfarbe zwischen hellbraun und tiefschwarz, und wie viele Araber des Südens, der unmittelbar der afrikanischen Küste gegenüberliegt, haben sie negroide Züge. Trotz ihrer rassischen Ähnlichkeit haben sie ein schweres Dasein unter den mohammedanischen Jemeniten. Als daher die Kunde nach Jemen drang, daß die weißen Juden in Palästina eine neue jüdische Heimat errichten, machte sich auch ein Teil der jemenitischen Juden dorthin auf — zu Fuß, Hunderte von Kilometerh quer durch die Wüsten von Hedschas. Und die Propaganda für Palästina geht unter den schwarzen Juden weiter, so daß immer mehr von den Zurückgebliebenen — es sind jetzt noch 60.000 — sich bereitmachen, der Unterdrückung durch die islamischen Jemeniten sich zu entziehen.

Aber auch in der neuen Heimat ist nicht alles Gold — selbst wenn dem Lande heute nicht das Gespenst eines erneuten Krieges drohte. Detin, wurden sie in Jemen von den dunklen Arabern über die Schulter angesehen, weil sie Juden waren, so jetzt hier von den weißen Juden, weil sie schwarze sind. Als die schwarzen Juden in die Gewerkschaftsbewegung eintreten wollten, gab es erhebliche Schwierigkeiten, ehe es ihnen gelang, sich durchzusetzen. Grundsätzlich ist wohl das gleiche Recht aller Rassen in Israel garantiert, aber in der harten Wirklichkeit melden sich die menschlichen Vorurteile und Abneigungen. Diesmal nicht zufolge eines unüberbrückbaren Rassenvorurteils derer aus dem Westen gegen die aus dem Osten, sondern hervorgerufen durch den großen Abstand zwischen den Kulturstufen eines bisher abgesonderten Volkes von Hirten, primitiven Handwerkern und Menschen aus allen Zweigen des modernen Wirtschaftslebens Europas und Amerikas. So oder so, die Schwierigkeiten sind da. Und es erweist sich, daß auch ein mit so viel Idealismus und Feuergeist erdachter und proklamierter Staat wie Israel aus Plan und Verfassung allein noch nicht besteht, sondern von der ersten Stunde an,

da er ein lebendiger Organismus wird, auch dessen natürliche Spannungen in sich trägt. Erst in ihrem Ausgleich hat jedes Gebilde sein Lebensrecht zu beweisen. Nicht im Krieg, sondern im Frieden wird dieses Recht bewiesen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung