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Der Mut zur Illusion

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Carlo Gozzis Bühnenstück, „König Hirsch”, von Heinz von Cramer, zu einem Opernlibretto ausgearbeitet, kommt Hans Werner Henze sehr entgegen. Immer schon hatte dieser Komponist, der heute zweifellos das musikalische Deutschland der jüngeren Generation international repräsentiert, einen Hang zur Gestaltung des Unwirklichen, Märchenhaften und Romantischen. Die außerordentliche Sensibilität dieses Musikers, der sich seine neue Heimat unter der Sonne Italiens schuf, prädestiniert ihn für das Metier der psychologischen Verstrickung, des Phantastischen und Surrealen. Trotzdem gelang ihm die Oper „II Re Cervo” nicht auf Anhieb. Die Uraufführung, über die an dieser Stelle seinerzeit berichtet wurde, fand in Berlin statt und stieß auf Widerstand. Bekanntlich muß aber das erste Echo auf eine Premiere kein endgültiges Kriterium darstellen, die Musikgeschichte lehrt uns hier die seltsamsten Dinge. Es war Dr. Hartleb, jetzt Oberspielleiter der Bayerischen Staatsoper, der sich des Werkes wieder annahm und Henze zu wesentlichen Kürzungen veranlaßte. Diese Fassung kam dann in Kassel heraus und fand große Beachtung. Auf der Grundlage dieser Konzeption ist eine weitere Bearbeitung gediehen, die nun im Münchner Nationaltheater ihre Erstaufführung fand. Das zentrale Thema ist die Erlösung des in ein Tier verwandelten Mannes durch rüa fjne Liebe .eities Mädchens, Hans Hartleb, der für die Münchner Wiedergabe ebenfalls verantwortlich zeichnet, ist aber, nicht nur eine hervorragende dramaturgisch Leistung nachzurühmen, sondern er verstand es auch, die Realisierung so überzeugend zu meistern, daß diese Interpretation wohl als Modellaufführung für zukünftige Inszenierungen dieses Werkes gelten wird.

Die schwierige Partitur hatte man dem jungen Dirigenten Christoph von Dohnanyi anvertraut, und er gab uns einen genußreichen Anschauungsunterricht seines hohen kapellmeisterlichen Könnens. Auch das Staunen über die kompositorische Genialität Henzes ist groß. Wie nahtlos verbinden sich in dieser Musik Elemente der italienischen Renaissance mit der statuarischen Schreibweise aus Strawinskys mittlerer Epoche, welch interessante dissonante Reibungen und visionäre Versponnen- heiten gibt es da zu hören! Das Sängerensemble war von bester darstellerischer und stimmlicher Qualität (die Hauptpartien stehen in doppelter, alternierender Besetzung znr Verfügung).

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