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Ein echter Volkswagen

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Wohl selten wurde von einem Automobil so-Tiel vor und nach seinem Erscheinen gesprochen wie vom VW 1500, dem „großen Bruder“ des VW 1200, dem Volkswagen, von dem bisher jchon mehr als fünf Millionen Exemplare er zeugt wurden. Professor Ferdinand Porsche, Österreicher von Geburt und vom Herzen, schuf die konstruktive Grundlage des Volkswagens, und diese war und ist, wie man heute rückblickend ruhig sagen darf, seiner Zeit um Meilen voraus. Erst nach der westdeutschen Währungsreform 1948 kam in dem vom Krieg stark mitgenommenen Werk Wolfsburg die Produktion unter der Leitung von Prof. N o r d h o f f wieder richtig in Gang. Der vor dem Krieg konstruierte und erprobte Wagen, dem die Engländer keine Lebensfähigkeit zubilligten, begann seine erfolgreiche Laufbahn. Schon als er die ersten Millionen seiner Auflage hinter sich gebracht hatte, begann das Raunen in der Automobilwelt, in Wolfsburg werde ein neuer VW vorbereitet.

Inzwischen kletterten die Produktionszahlen des oftmals totgesagten, aber immer stärker gefragten Volkswagens auf bald 3000 täglich. Trotzdem verschloß man sich in Wolfsburg keineswegs den Tendenzen und steigenden Ansprüchen des Automobilmarktes. Im Frühjahr 1961 wurde allen Gerüchten der Boden entzogen und die ersten, wenn auch spärlichen Nachrichten über den VW 1500 bekanntgegeben. Die festliche Premiere erlebte dann dieser neue Mittelklassewagen aus Wolfsburg anläßlich der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt im Herbst 1961.

Bald darauf rollte der Wagen auch schon auf den Straßen Deutschlands im Verkehr, und nur mit geringer zeitlicher Verzögerung lief der Export nach Österreich an. Wenn man nun auf die bisher vorliegenden Zulassungszahlen des Jahres 1962 zurückblickt, kann man feststellen, daß dem VW 1500 der Start recht gut gelungen ist. Heute gehört,der „große Volkswagen“, wie der Volksmund den VW 1500 gerne nennt, uch in Österreich zum Straßenbild und hat einen festen Platz auf dem Markt erobert.

Gleiche Konstruktionsprinzipien wie beim VW 1200

Zunächst muß man sagen, daß der VW 1500, obwohl sein Äußeres nicht die geringste Verwandtschaft mit dem VW 1200 vermuten läßt, konstruktiv sehr viel, vor allem das Grundsätzliche, mit ihm gemeinsam hat. Wie beim VW 1200, sind Karosserie und Fahrgestell nicht aus einem Stück, sondern eine yerwindungs-steife Bodenplatte trägt Vorder- und Hinterachse samt Motorgetriebeblock, der natürlich im Heck untergebracht ist. Alle vier Räder sind unabhängig gefedert, und zwar in derselben Art mit Torsionsfedern, wie beim bewährten VW 1200. Der Motor allerdings ist eine völlige Neukonstruktion, wenngleich er ebenso wie sein viel gerühmter Vorgänger, luftgekühlt und in Boxeranordnung ausgebildet ist. Um ihn jedoch flach unter dem rückwärtigen Kofferraumboden unterzubringen, ist das Gebläse in Form einer Luftturbine direkt an der Kurbelwelle angebracht. Dementsprechend mußte der im Kühlluftstrom stehende Ölkühler eine neue, flach bauende Form erhalten. Bei einer Verdichtung von 1:7,8 ist die Verwendung von Normalbenzin durchaus angebracht. Die Leistung des ausgesprochenen Drosselmotors beträgt 45 PS, er zeigt jedoch einen sehr flachen Drehmomentverlauf. Dieser ist für die Beschleunigung und vor allem für das zähe Durchziehen am Berg viel wichtiger als eine hohe nominelle PS-Leistung. Der Motor fristet so sein genügsames Dasein unter dem rückwärtigen Kofferraum, und nur die Werkstätte braucht bis zu ihm vorzudringen, will sie einen routinemäßigen Wartungsdienst vornehmen. Der gesamte Motorgetriebeblock samt Hinterachse ist in einem Hilfsrahmen gelagert, der, wiederum geräuschisoliert, mit dem Rahmen verbunden ist. So zeichnet sich der VW 1500 durch besonders hohe Laufruhe aus, die man bisher bei luftgekühlten Motoren in diesem Ausmaß noch nicht realisiert hat.

Innen größer als außen

Da man aus Überlegungen, die vor allem die Brieftasche des Kunden schonen sollen, den VW 1500 auf dem gleichen Radstand des VW 1200 konstruierte, sieht der „große“ Bruder, von außen betrachtet, gar nicht sehr groß aus. Seine Innenmaße bestätigen jedoch klar,daß er mit allen Mittelklassewagen konkurrieren kann. Viel mehr aber noch als gemessene Zentimeter bestärken der Fahrkomfort, die Laufkultur und Ruhe des Motors sowie die ausgezeichnete Straßenlage den Eindruck, in einem wirklich großen Wagen zu fahren. Schon die Sitzposition des Fahrers zum Lenkrad, zur Pe-dalerie und zum griffbereit liegenden Mittelschalthebel lassen nichts an Bequemlichkeit zu

I i'JÜJit* Vit Ali -itii^Il v '* f , lU^I, U.V MW wünschen übrig. Die ausgezeichneten Fahreigenschaften, wohl auch durch die großen 15-Zoll-Räder unterstützt, zeigen sich erst richtig, wenn man von der Asphaltstraße zur Staubstraße wechselt, ohne dabei im mindesten das gewohnte Gefühl der Sicherheit zu vermissen.

Die größte Stärke des VW 1500 ist ohne Zweifel, daß er sich bei seiner Betreuung auf eine Service-Organisation stützen kann, die ihren Ruf seit Jahren aufgebaut und gefestigt hat und auch in der Zukunft halten wird. Mit Verkaufsbeginn des VW 1500 waren in der gesamten Kundendienstorganisation alle erforderlichen Spezialwerkzeuge und auch Ersatzteile vorhanden, die möglicherweise zu Reparaturen verwendet werden müßten. Daß beim VW 1500, wie bei allen neuen, in Großserie gehenden Automodellen, gelegentlich auch Fertigungsmängel auftreten, darf nicht irritieren. Sie wurden meist behoben, ehe die Kunden dies selbst bemerken konnten, und so stellt heute der VW 1500 ein ausgereiftes Serienerzeugnis dar, dessen Finish in Ausführung und Verarbeitung den gleich hohen Qualitätsstand des VW 1200 aufweist, der damit seinen Siegeszug rund um die Welt begründet hat. Alles in allem ist der VW 1500 bestimmt kein fürs Auge besonder* attraktives Auto. Er ist auch kein besonder PS-starkes Fahrzeug im Vergleich zu, anderen Konkurrenten seiner Hubräumklasse. Er ist aber ohne Zweifel auf einer gehobenen technischen Ebene eine ebenso geglückte Kombination von allen jenen Eigenschaften, die eine große Zahl von Autokunden ansprechen, wie beim VW 1200: robust und zuverlässig, sparsam und leistungsstark, und nicht zuletzt bequem und geräumig.

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