6862848-1977_43_18.jpg
Digital In Arbeit

„Menschliches Versagen” als Kongreßthema

Werbung
Werbung
Werbung

Die Wiener Hofburg wird vom 3. bis zum 6. November 1977 nicht nur wieder einmal Tagungsort eines interessanten Kongresses sein, es werden diesmal dort auch für Österreich ehrenvolle Jubiläen gefeiert: Der „Dritte Internationale Verkehrs- und Kraftfahrmedizinische Kongreß” mit dem Hauptthema „Das menschliche Versagen im Straßenverkehr” wird von der Ärztlichen Kraftfahrvereinigung Österreichs veranstaltet. Sie feiert am 6. November 1977 die siebzigste Wiederkehr ihres Gründungstages und hofft, bei dieser Gelegenheit ihr zehntausendstes Mitglied begrüßen und auszeichnen zu können. Dieser älteste ärztliche Autoklub der Welt gehört heuer seit 25 Jahren dem ÖAMTC als Zweigverein an und schließlich wurde vor 45 Jahren in Wien die Internationale Union der Kraftfahrmediziner gegründet. Daher auch die große Beteiligung des Auslandes: Ärzte, Psychologen, Techniker, Verkehrsexperten und Juristen aus 16 Ländern halten 70 Vorträge, die das so aktuelle Thema von allen Seiten beleuchten werden: Direkte Unfallursachen von medizinischen, technischen und anderen Aspekten her gesehen, indirekte, wie Alkohol und Drogen, und altersbedingte Faktoren, vom jugendlichen Leichtsinn bis zum Nachlassen der Reaktion oder der frühzeitigen Ermüdung bei den Alten.

Während die Vorträge vor allem für einen relativ kleinen Kreis von Experten bestimmt sind; wird diesmal auch die breite Öffentlichkeit auf ihre Kosten kommen. Eine frei zugängliche Fachausstellung „Sicherheit im Straßenverkehr” wird unter tatkräftiger Mitwirkung von VW an Hand der neuesten Volkswagenmodelle über den letzten Stand der Technik informieren und zeigen, wieviel Forschungsergebnisse bereits serienmäßig verwirklicht wurden. Zum besseren Verständnis ist ein kurzer Rückblick angebracht. Jeder Schulbub weiß, daß Autofabriken, die etwas auf sich halten, alljährlich zahlreiche Automobile bei Überschlagsversuchen und Frontalzusammenstößen zertrümmern, um die Schwachstellen an den Fahrzeugen auszumerzen und die Wirkung des Aufpralls an Puppen zu studieren, die dem menschlichen Körper nachgebildet sind.

Universitäten in den USA waren vor Jahrzehnten die ersten, die solche Versuche systematisch durchführten, nur leider wurden sie von der dortigen Industrie so gut wie nicht beachtet. Es ist das unumstrittene Verdienst der Daimler Benz AG, schon Ende der fünfziger Jahre Crash- und Uberschlagsexperimente durchgeführt zu haben. Das Beispiel machte Schule, die meisten großen Autofabriken bauten ihre eigenen Sicherheitsfahrzeuge, denen wir viele Errungenschaften der aktiven (Unfälle verhütenden) und der passiven (Unfallfolgen mildernden) Sicherheit zu verdanken haben.

An den erwähnten Mercedes-Versu- chen in Stuttgart und Sindelfingen war auch der gebürtige Wiener Prof. E. Fiala beteiligt. Er ist heute Chef der gesamten technischen VW-Forschung in Wolfsburg und gilt als der führende Mann in Fragen der Autosicherheit. Sein ESVW genanntes Experimentierauto ist ein Studienobjekt - übrigens unverkäuflich das speziell in den Vereinigten Staaten von Nordamerika Aufsehen erregt hat. Fialas Hauptverdienst liegt darin, daß nicht nur große, schwere und daher teure Wagen mit Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet werden, sondern selbst so kleine wie der Polo oder die unteren Bereiche beim Audi; und außerdem wurde bei VW erstmalig in der Großserie das „passive Rückhaltesystem” verwirklicht. Darunter versteht man eine Gurtenanordnung, die bewirkt, daß sich diese oft lebensrettenden Bänder selbsttätig nach dem Einsteigen und dem Schließen der Tür um den Fahrer legen. Bekanntlich vergessen selbst gurtenfreundliche Personen auf das Anschnallen oder sie glauben, „für kurze Strecken lohne sich das nicht”. Das passive VW-System bietet somit jederzeit verläßlichen Schutz.

Auf der Ausstellung werden auch noch andere Einrichtungen zu besichtigen sein: Die Testpuppen mit eingebauten elektronischen Fühlern, mit deren Hilfe man die Belastbarkeit des menschlichen Körpers bei Unfällen prüfen kann, ferner Einrichtungen für erste Hilfe, Autoapotheken, Verbandkästen, Ausrüstungen des Roten Kreuzes. Und außerdem werden die Besucher ihre Reaktionsgeschwindigkeit, ihr Sehvermögen testen ühd die Funktionen von Sicherheitsgurten beim Aufprall am eigenen Leib in eigens konstruierten Schlitten erproben können. Nach der feierlichen Eröffnung des Kongresses am Donnerstag, dem 3. November um 16 Uhr durch Bundespräsident Dr. Kirchschläger, wird auch die Fachausstellung für das Publikum bis einschließlich Sonntag, den 6. November zugänglich sein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung