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Zuwenig „Auto“ auf der IVA

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Die „Erste Internationale Weltausstellung des Verkehrs“ in München ist eine grandiose Show der Massenverkehrsmedien, bei der jenes Transportmittel, welches in den letzten 60 Jahren das Leben eines Großteils der Erdbevölkerung revolutioniert hat, das Auto, zu kurz gekommen ist. Seine Technik, seine Entwicklung und vor allem seine Zukunftsaussichten sind auf Kosten des allgemeinen Ingenieurwesens und des Straßenbaues ins Hintertreffen geraten. Uber diese bedauerliche Tatsache hilft weder ein Festkorso „Das Auto im Wandel der Zeiten“, der an einem Sonntag vormittag in München im Rahmen einer gigantischen Veteranen-Rallye stattfand, noch ein vorbildlicher Kundendienststand (VW) oder eine mustergültige Lehrlingswerkstätte (BMW), noch die historische Schau von Fahrzeugen und Rennwagen (Mercedes-Auto-Union) in einer der zahlreichen Hallen des Geländes hinweg. Die Veranstalter versuchen dieses Manko dadurch zu erklären, daß die Autoindustrie den Frankfurter Salon, der im September stattfindet, zum Vorwand ihres geringen Interesses an der IVA genommen hat.

Wer die strengen Bestimmungen des Bureau permanent in Paris kennt, konnte auch keinen Autosalon hier erwarten, aber was zum Beispiel bei der Luft- und Raumfahrt, sogar beim „Zweirad“ gelang, nämlich in einer Halle eine zusammengefaßte Übersicht über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu geben, das hätte sich auch fürs Auto verwirklichen lassen. Gerade das Kraftfahrzeug als individuelles Verkehrsmittel bietet so viele ungelöste Probleme, stellt so viele Fragen zur Diskussion, daß es eine dankbare Aufgabe gewesen wäre, diesen Komplex gewissermaßen kompakt zu behandeln.

Hat man sich einmal damit abgefunden, daß das Motorwesen nur in Teilgebieten studiert werden kann, dann muß man dem Unternehmen restlose Anerkennung zollen. Ob Straßenbau oder Verkehrssicherheit, Lärmbekämpfung oder Verkehrswissenschaft, Autozubehör oder Verkehrserziehung, in allen diesen Sparten wurde zusammengetragen, was gut und teuer ist, um zu zeigen, was es gab, gibt und vielleicht geben wird. Der Anteil Österreichs ist insbesondere im Bereich der Verkehrserziehung im allgemeinen, in der der Jugend im besonderen durch vielbeachtete Exponate, Filme, Photomontagen des KfV. und des ÖAMTC größer, als man von einem kleinen Land erwartet hätte. Viele unserer Einrichtungen gelten als beispielgebend und werden von anderen nachgeahmt, etwa die Aktion „Rettendes Blut“. Bewunderung erregen Bilder, Beschreibungen und Reliefs unserer Straßen- und Brückenbauten oder die Art und Weise, wie man in Wien neuralgische Verkehrsknotenpunkte meistert.

Sogar bescheiden anmutende Erzeugnisse einzelner österreichischer Firmen, die der Verkehrssicherheit dienen, wie die Swareflex-Rückstrahler, finden starke Beachtung der Fachwelt. Sie werden unter anderem auf den tausenden Autobussen der „London Transport“ für ein geistreiches Kontrollsystem durch modifizierte reflektierende Strahlen aber auch für die neuesten Brückenbauten, etwa die Verrazano-Brücke in New York und die Europabrücke, verwendet. Das interessanteste Objekt ist zweifellos der Sigma-Wage'n von Pinfarina mit seinen Schiebetüren, dem kurzen Lenkgetriebe und den „locker“ sitzenden Front- und Heckscheiben, der sicherheitsgerechten Karrosserie (vorn und hinten weich, in der Mitte steif). Hier hätte die Autoindustrie Gelegenheit gehabt, jene Wagen neben den Sigma zu stellen, die sich dem Ideal am meisten nähern.

Aus der Fülle der elektronischen Apparate, die in fast allen Sparten vertreten sind, sei jener erwähnt, der sich mit der Verkehrsregelung befaßt: In Berlin wurde ein von Siemens gebauter Verkehrssignalrechner in Betrieb genommen, der von einer Zentrale aus fünf Ampeln nach Plänen steuert, die von Verkehrsingenieuren an Hand vorangegangener Verkehrszählungen aufgestellt wurden. Ein vom Rechner VSR 16.000 ein- und ausschaltbares Hinweisschild in der Größe eines normalen Verkehrszeichens kann bis zu zehn Texte anzeigen. Es hilft, den Verkehrsraum optimal auszunützen und dürfte der letzte Schrei einer Datenverarbeitungsanlage im Dienste des Verkehrs sein. Trotz aller Mechanisierung und Automation, trotz einer für unsere hektische Zeit bezeichnenden optischen und akustischen Reizüberflutung, die den seriösen Besucher irritiert, gibt es hier auch beschauliche Orte, wo der Mensch und nicht die Maschine Mittelpunkt ist. Das ist gut und stimmt versöhnlich. Als wir die Ausstellung verließen, blieben uns zwei Sätze aus dem „SOS“-Pavillon haften: „Nicht aus Leichtsinn 1 töten, nicht aus Dummheit sterben!“.

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