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Der Schlüssel liegt bei Lombardi

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Das Mehrheitssystem verschaffte ihm zwar 45 Sitze im neuen Zentralkomitee, während der kommunistenfreundlichen Linken 35 zufielen. Aber diese sogenannte autonomistl- sche Mehrheit Nennis, wie weit ist sie noch die des alten Parteiführers? Mindestens 15 ihrer Mitglieder im ZK gehorchen einer anderen Stimme, der einer der interessantesten und rätselhaftesten Figuren auf dem politischen Schachbrett Italiens, der Nummer 2 ‘ im PSI: Riccardo Lombardi. Einstiger katholischer Aktivist, ehemals Gründer der linksextremen Aktionspartei, hat er nach deren Auflösung im PSI Aufnahme gefunden, ist also ein Sozialist recht jungen Datums. Wie der von der Sozialdemokratie herübergewechselte Zagari, wie der aus den Reihen der Kommunisten kommende Giolitti, dessen Aufnahme Nenni nur gegen den Widerstand des linken Flügels durchsetzte, ge hört Lombardi zu den Autonomisten. Doch erblickt er seine Aufgabe weniger als Gewicht auf der Waagschale Nennis, denn als Zünglein der Waage. In der berühmt gewordenen Nacht des heiligen Gregor, am 17. Juni, hat eine von Lombardi angeführte Fronde die Ratifizierung des zwischen Nenni und Moro ausgehandelten Programmes verweigert und damit die Bildung einer Regierung der „linken Mitte“ vereitelt. Lombardi hatte von jeder einzelnen Phase der’ Verhandlungen gewußt und nie Einspruch erhoben. Er hat den alten Condottiere des italienischen Sozialismus stürzen sehen wollen.

Etwas Ähnliches ist Nenni auf dem Kongreß in Venedig 1957 widerfahren, und wie damals hat er in einer ersten Depression seine Demission erklärt. Doch müßte Nenni nicht Nenni sein, wenn er sich wie ein Held Metastasios der Verzweif lung hingäbe. Die Vorkongresse der vergangenen Wochen zeigen wieder ein langsames Vorrücken der auto- nomistischen Richtung. Sie erhielt 58 v. H. der Stimmen, der linke Flügel 39 v. H. Nenni hat es jedenfalls immer noch mit einer starken Opposition zu tun, die entschlossen ist, die Zusammenarbeit mit der DC zu hintertreiben, wenn auch nur durch maximalistische Forderungen. Wie viele von den 58 Prozent Autonomisten der Observanz Lom- bardis angehören, ist schwer zu sagen; erst die Wahlen in das neue ZK können es erweisen. Sicher ist, daß ohne Lombardi keine Entscheidung des Kongresses möglich ist, und ebenso sicher ist, daß Lombardi keiner Entscheidung zustimmen wird, welche die Gefahr einer neuen Spaltung mit sich brächte.

Aus diesem Grund glaubt man voraussehen zu können, daß der XXXV. Kongreß des PSI nicht viel zur Klärung der politischen Situation beitragen kann. Erst die späteren, sicherlich schwierigen und wechselvollen Verhandlungen zwischen den sozialistischen Politikern und der DC können zu verbindlichen Abmachungen führen. Für die bloßen Beobachter der Dinge mag das Zwiegespräch zwischen einem Pietro Nenni, dessen samtener Anschlag bei den Verhandlungen, Geduld, Vorsicht, gradweiser Druck ebenso bekannt sind wie die Geduld, Vorsicht und der elastische Widerstand eines Aldo Moro, Taktiker fast orientalischen Stils, ein intellektuelles Vergnügen werden. Doch wird es gestört durch die Stimme eines Souffleurs, die jene der Hauptakteure in lästiger Weise übertönt.

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