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Der ideologische Sperrgürtel

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Mit ihrer Fronde, immer hart an der Grenze offener Dissidenz und des Bruchs, hat die Gruppe Lombardi nicht nur die Tätigkeit der Regierung Moro praktisch lahmgelegt, weil es sich als unmöglich herausstellte, die Reformpläne mit den Konjunkturmaßnahmen zu synchronisieren, wie die hereingebrochene finanzielle Krise sie verlangte. Die Lombardianer haben auch in der eigenen Partei eine wirkungsvolle politische Aktion verhindert, durch die ständige Herausstellung eines Integralismus, den die Mehrheitsgruppe Nennis niemals durchzusetzen hoffen konnte. Sie hatten die seltsame Vorstellung, die Koalition der linken Mitte habe den Zweck, die Marktwirtschaft durch eine sozialistische Wirtschaft abzulösen, die bürgerliche durch eine sozialistische Gesellschaft zu ersetzen. Die „Strukturreformen” seien nur als Werkzeuge dafür zu betrachten. Der ideologische Sperrgürtel der „Linksöffnung” gegenüber den Kommunisten, die einzige Bedingung, unter der die Democrazia Cristiana als ganze zu dem neuen Kurs zu haben war, wurde von den Lombar- dianem ignoriert, als wäre er nicht vorhanden. Da der sozialistische Anteil am Allgemeinen Gewerkschaftsbund, vertreten durch den Lombardianer Santi, sich in keiner Weise von dem kommunistischen Patron Novella distanzierte, nicht einmal nuancierte. Sein Nein auf die Einladung Moros, ein Gespräch über die Mitarbeit der Gewerkschaften an der Überwindung der gegenwärtigen Finanzkrise aufzunehmen, war auch ein Nein im Namen der Sozialisten. Es gehört zur Taktik Lombardis, immer, wenn die Diskussion innerhalb der Partei am Zerreißpunkt angelangt ist, mit der Mehrheit zu stimmen und dadurch eine Einigkeit vorzutäuschen, die in Wahrheit nicht vorhanden ist. Allerdings nur, um einen Augenblick später in der Praxis das einstimmige Votum anzu fechten und in Zweifel zu ziehen. Genauso haben sich die Anhänger des „Avanti”- Chefredakteurs, der in der Leltartikelspalte des offiziellen Parteiorgans systematisch die Aktion der Parteiexponenten in der Regierung kritisiert hat, gegenüber dem Beschluß der Direktion verhalten, einstimmig die Fortsetzung des bisherigen Kurses mit Aldo Moro an der Spitze dem Staatspräsidenten als Parteiwille ziu indizieren.

Immer bei der Mehrheit

Der Vorstand hatte, um nicht die bevorstehenden Verhandlungen zu präjudizieren, in dem Kommunique verschwiegen, daß diese Verhandlungen, was die Sozialisten betreffe, immer die Beschlüsse des letzten Parteikongresses im Oktober 1963 zur Grundlage haben müßten. Die Lombardianer haben sofort in einer eigenen Erklärung diese Tatsache enthüllt und die Schwierigkeiten hervorgerufen, die der Vorstand vermeiden wollte. Man sagt, daß in der Sitzung des Zentralkomitees die Gruppe Lombardi vor die Entscheidung gestellt wurde, ob sie sich an die in demokratisch aufgebauten Parteien übliche Dialektik halten will, wonach die Opposition im Rahmen der der Minderheit eingeräumten Rolle zu verbleiben habe und nicht dauernd die Gemarkungen der der Mehrheit zustehenden Rechte überschreiten dürfe. Es wird sich her- ausstellen, wie weit Pietro Nenni, obwohl durch De Martino im Parteivorsitz abgelöst, immer noch der leitende Kopf, stark genug zu einem Repulisti ist. Nach dem Ausscheiden des extrem linksstehenden Flügels sollte es möglich sein, die Mehrheit für einen neuen, nur aus der Nenni-Gruppe gebildeten Vorstand zu finden. Die Schwierigkeit liegt darin, Lombardi loszuwerden. Er will immer bei der Mehrheit sein. Die neue DLssidentenpartei der „Sozialproletarier” (PSI UP) fürchtet nichts so sehr, als daß Lombardi die Sozialistenpartei verlassen und zu ihr stoßen könnte, wo er binnen kurzem die gleiche Fronde und Verwirrung schaffen würde.

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