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Die Krise heißt Lombardi

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Dauer und Ausgang einer Regierungskrise in Italien voraus- ziuisehen, ist eine nahezu unmögliche Sache. Auch Giovanni Gronchi, der als ehemaliger Staatspräsident gewiß Erfahrung in diesen Dingen hat, erklärte den Journalisten, es würde leichter fallen, die meteorologischen Entwicklungen im bevorstehenden Sommer vorausziusagen. Die alten Routiniers unter den Zeitungskorrespondenten fügen sich nur ganz unwillig in die Notwendigkeit, Spekulationen über den mutmaßlichen Gang der Krise anzustellen. Man weiß, wie sie begönnen hat, aber man weiß nie, wie sie enden wird.

Es fing ganz harmlos an

Begonnen hat sie damit, daß die Linkssozialisten im Parlament bei der Abstimmung über den Staatshaushaltsplan den privaten, also katholischen Mittelschulen eine Unterstützung von 149 Millionen Lire, das sind knapp sechs Millionen Schilling, nicht gönnen wollten. Man kann natürlich auch eine Prinzipfrage daraus machen; es bleibt aber die Merkwürdigkeit, daß eine Partei, die sich nicht gescheut hat, eine Spaltung hinzunehmen, um zu einer Zusammenarbeit mit der katholischen Massenpartei zur Regierung der linken Mitte zu gelangen, dann diese Regierung über einen lächerlich geringen Betrag stürzen läßt, mit allen möglichen Konsequenzen, die eine Krise mit sich bringen kann. Die Demission der Regierung Aldo Moro ist vermutlich von jenen, die sie herbeigeführt haben, gar nicht vorausgesehen worden. Der einstige christlich-demokratische Parteisekretär und jetzige Regierungschef hat das Votum im Parlament jedoch zum Anlaß genommen, um mit Blitz und Donnerschlag den mit dichten Wolken verhängten Himmel der Koalition zu reinigen und — vielleicht — die Klärung herbeizuführen, die der „Linksöffnung” den Fortbestand sichern soll. Der Anlaß war ausreichend, und die schuldige Fronde bei den Sozialisten wird, wie sie es auch anstellen mag, ihre Verantwortung nicht leugnen können.

Verantwortlich für die Krise des Kabinetts Moro und der „Linksöffnung” ist die Fronde um den „Avanti”-Chefredakteur Riccardo Lombard i; ausgelöst wurde sie durch den Abgeordneten Tristano Codignola, der wie Lombardi von der Aktionspartei herkommt, eine Bewegung „mit wenigen, aber wirren Ideen”, die an dem Sektierertum in ihr zugrunde gegangen ist. Ihre einstigen Angehörigen, die bei verschiedenen anderen Parteien Unterschlupf gefunden haben, müssen Charakter und Intellekt auf besondere Weise ausgebildet haben, der Unordnung nach zu schließen, die sie in ihren neuen politischen Heimstätten hervorgeruten haben. Die Aktionspartei wußte zwar nicht genau, was sie wollte, das aber wollte sie sofort und ganz. Die gleiche Einstellung ist durch Lombardi, Codignoja, Lussu usw. in die Sozialistenpartei getragen worden, wo sie, sobald aus dem Ei geschlüpft, Nenni und die Nächsten um ihn aus dem Nest zu drängen versucht haben wie Ugo La Malfa bei den Republikanern den Parteichef Pacciardi aus dem Nest geworfen hat

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