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Höllischer Humor

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HEITERKEIT AUS ALLER WELT. Eingeleitet und gesammelt von Erich Kästner. Fackelträger-Verlag, Schmidt-Küster GmbH Hannover. 400 Seiten, QueUenverzeichnis und Biographien. DM 16,80.

Es gibt komplizierte Gemüter, die, sobald die Absicht geäußert wird, sie zum Lachen zu bringen, den Rückgang einschalten. „Hör zu: ich erzähle dir eine umwerfend komische Geschichte — du wirst dich totlachen!“ Der so Angesprochene erstarrt bereits. Und schon ein ganzes Buch zu vierhundert Seiten, das diese Absicht treuherzig verkündet? Wird man nicht etwas mißtrauisch? Für diese Reaktion gibt es einen guten Grund: es fehlt einfach der Überraschungsmoment. Von Gelächter geschüttelt werden wir meistens nur dann, wenn wir es nicht erwarten. Vergessen wir daher auf die ganze angedrohte Heiterkeit und schauen hinein. Erstens ist zu sagen, daß Erich Kästner vor zehn Jahren nach und nach' ein umfangreiches

Werk in vier Bänden, „Heiterkeit in Dur und Moll“ herausgegeben hat. Der vorliegende Band ist ein Destillat aus diesen Anthologien, läßt daher ein hohes Niveau erwarten, das auch erreicht wird. Man wird nicht nur von den großen Namen der Weltliteratur geblendet: Nestroy, Mark Twain, Franz Wedekind, Bertold Brecht, im ganzen 399 Autoren! — die schwierige Auswahl aus ihren Werken wurde auch ausgezeichnet getroffen. Von Oscar Wilde beispielsweise hat sich nicht alles taufrisch erhalten, aber die Szene zwischen Lady Brackneli und dem Anwerber um die Hand ihrer Tochter ist unsterblich. Aus Lewis Carrolls „Alice in Wonderland“ wählte man „You aire ald, Father William“, es gibt drei Limericks von Ediward Lear, die bezaubernde „Aglaja“ von Lernet-Hoüenia; man sollte auch die berühmte Erzählung von Dämon Run-yon erwähnen: ein Fachmann für Geldschrankeinbrüche lehnt es zunächst ab, mit seinen Kollegen bei einem nächtlichen „Job“ mitzuma-

chen, weil er in Abwesenheit der an einem Leichenschmaus teilnehmenden Gattin auf den Stammhalter aufpassen muß. (Er gibt schließlich nach, nimmt aber das Baby mit.) Bei aler Gewissenhaftigkeit der Ausstattung fehlt übrigens ein Hinweis auf die Identität der begabten Übersetzer. Der graphische Unterhaltungsstoff ist zum größten Teil auch gut gelungen. Selbst auf das Risiko hin, zu schockieren, muß die Szene erwähnt werden, wo ein feierliches Begräbnis sich dem Ende nähert. Mit verbitterter Miene versichert eine Trauemde der anderen: „Und ich sage dir, sie geht doch in die Hölle.“

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