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Zwei Einakter

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Mag es hundertmal wahr sein, daß es nichts Schnelleres gibt in dieser Welt als den Übergang vom Guten zum Bösen — ^“T viel länger dauert der Schritt vom Ver- \

brechen in die Literatur, die Verwandlung des Zuchthäuslers Jean Genet in einen Salonheiligen des Existentialismus auch nicht. Nur läßt dieser Rollenwechsel sich nicht so total vollziehen. Das Idiom der Herkunft kann Genet nicht ablegen. Gleichviel: Die Ansiedlung des von Sartre und Cocteau aufgestöberten Modells eines Existentialisten im Bereich des experimentellen Theaters gelingt durchaus. Den Geschöpfen seiner dramatischen Phantasie aber, den Dienstmädchen Ciaire und Solange aus dem Einakter „Die Zofen“, kann der Traum vom Aufstieg in die Sphäre ihrer gnädigen Frau nicht erfüllt werden. Sie vermögen sich aus der von ihnen als Entehrung empfundenen Situation nicht zu befreien, weil ihnen die Erniedrigung zur verhaßten Lust geworden ist. Sie trinken sich nicht satt daran, und so setzen sie im Spiel übersteigert fort, was ihnen die Wirklichkeit zuweilen erläßt. Wenn die Herrin nicht zu Hause ist, übernimmt abwechselnd immer eine deren Rolle, um die andere bis zum Wahnsinn zu demütigen. Aus diesem Spiel wächst der Entschluß, die Verhaßte zu ermorden. Der Anschlag mißlingt. Aber das Verbrechen hat seine unerbittliche Kausalität. Jede gedachte Tat ist schon Wirklichkeit. So müssen die Mädchen ihr Spiel wieder aufnehmen, und Ciaire trinkt in der Rolle der Herrin den von Solange dargebotenen vergifteten Tee. — Das von Sacha Berger (Ciaire), Brigitta Köhler (Solange) und Nina Sandt (die gnädige Frau) in der Salzburger Residenz virtuos gespielte Stück hielt das Publikum in

Atem, aber es erschütterte nicht. Immerhin hat der Autor, vielleicht ohne es zu wollen, damit ein Gleichnis gesetzt: Das Hohe ist unberührbar; Niedrigkeit, die sich dagegen erhebt, vernichtet sich selbst.

Den zweiten Teil des Abends bildete die parodistische Farce „Wer war Hilary?“ von dem Engländer James Saunders, eine drastische Karikatur des Bildes, das sich der Europäer von der englischen Mentalität macht (so erklärt der Autor in einer Programmbemerkung). Vielleicht hat er doch mehr seine Landsleute gemeint; die Ausrede wäre ebenso lustig wie das Stück. Von denselben Schauspielerinnen, die damit eine erstaunliche Probe ihrer Verwandlungs-fähigkeit geben, gespielt, entfesselt es beim Publikum die exaltierteste Lachlust. — In den Bühnenbildern erwies sich Ernst Bruzek als glänzender Gestalter der Atmosphäre. Der makabre Plüschzauber im ersten Stück war ebenso wie die lustige graphische Lösung im zweiten eine vollkommene Entsprechung zur dramatischen Idee. Alexander Wagner empfahl sich als begabter Regisseur.

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