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Alte Ordnung - klinisch tot

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Peter JJaniei womuna, Janrgang 1937, Kulturredakteur einer Grazer Zeitung, ist nach vielbeachteten Erfolgen als Epiker nun auch als Dramatiker hervorgetreten. Sein Bühnenerstling trägt den beziehungsreichen Titel „Hoffmanns Erzählung“ und wurde dieser Tage zur 850-Jahr-Feier der Stadt im Grazer Schauspielhaus uraufgeführt.

Das Thema dieser szenischen Phantasie ist einfach, aber reich an Denkanstößen, Assoziationsimpulsen und -Verzweigungen: der 116 Jahre alte Hoffmann wird in einer Intensivzelle künstlich am Leben erhalten, weil ei als Pensionsempfänger den Unterhalt der gräflichen Familie garantiert. Als dennoch sein mühsam hinausgezögerter Exitus plötzlich eintritt, kann der lebende Leichnam leicht durch einen anderen ersetzt werden: der kommt zwar aus der „neuen Klasse“, ist Kran-kenkassenkontrollor und „Prolet“, aber adaptierbar, denn die neue Ordnung ist in Wirklichkeit doch nur wieder die alte. Denn, so des Autors bittere Position, „eine Unfreiheit ersetzt eine andere“. Und „Tradition“ versteht sich hier tatsächlich nur als Weiterreichung der Asche und nicht der Flamme.

Kein Wunder, daß ein Stück, das sc sehr, wenn auch nicht ausschließlich, gegen den gedankenlos-bequemen Traditionalismus losschlägt, sich mit Lust und Laune des österreichischen Kolorits bedient, mit dem der Militäradel der Donaumonarchie noch immei anekdotisch verklärt wird. Doch das ist nur eine Facette des Werks, dessen Stärke vor allem in der bildhaften Konkretisierung des Begrifflicher liegt. Die Kraft und die Heftigkeit vor Wolfkinds Bühnenvisionen leugnen nicht ihre Herkunft von Artaud; ihre grellen Farben lassen die Faszination durch das Grand Guignol, ihre gro-

teske Skurrilität Vitrac und Gombro-wicz als „geheime Miterzieher“ eines Autors erkennen; und die Technik des Dialogs verweist ebenso auf Ionesco wie auf Bernhard, mehr aber noch auf den kenntnisreichen Musiker Wolfkind. Es bedürfte dazu nicht der zahlreichen musikalischen Anspielungen, die opernhafte Konzeption, die verbalen Arien, Duette, Ensembles, die „Refrains“ und der Aufbau eines Aktfinales sind Zeichen einer vom Musikalischen bestimmten Werkkbmposition, der jede Spur von Eklektizismus fehlt und die ein durchaus eigenständiges Ganzes darsteUt.

Die Uraufführung, die die Erstfassung des Stückes bühnenpraktisch verknappte, zeigte hervorragende künstlerische Qualität. Regisseur Fritz Zecha hatte hier wieder einen seiner großen Abende: die seltsam beklemmenden, krassen und grotesken Vorgänge auf dieser gutösterreichischen Gralsburg waren von der fast zeitlu-penhaften Uberdeutlichkeit eines gespenstischen Alptraums, kabarettistische Pointen des Buches behielten ihre Komik trotz marionettenhafter Starrheit der Exekution. Zecha wurde in seiner Interpretation manchmal sehr deutlich, präparierte die faschistoiden Züge der alten wie der neuen Ordnung ohne Umschweife heraus und dennoch blieb der Grundton einer krausen, herzmanovsky-barocken Märchenwelt erhalten. Das Bühnenbild von Thomas Richter-Forgäch fing diese Stimmung unvergleichlich ein in einer bandagierten Ruinenlandschaft, in der Surreales, österreichisch Barok-kes und Klinisch-Technisches zu höherer Einheit fanden. Von den durchwegs sehr guten DarsteUern müssen Robert Remmler, Gerti Pall und Andre Diehl besonders erwähnt werden.

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