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Gesundes Fasten
Fasten ist in irgendeiner Form so gut wie allen Kulturen und Religionen bekannt. Man kennt es als Einschränkung im Lebensgenuß, im Essen und Trinken, bei der Kleidung, der Körperpflege, bei der Ausübung der Sexualität. Der christliche Brauch, sich in 40 Fasttagen (die Sonntage nicht eingerechnet) auf Ostern vorzubereiten, stammt schon aus dem frühen Mittelalter. Die Regeln für dieses Fasten waren nach Zeiten und Ländern verschieden, doch in der ausführlichen Form verzichtete man tatsächlich volle 40 Tage auf jegliche tierische Nahrungsmittel.
ImLaufe der Jahrhunderte wurde man immer milder, ließ tierische Fette, Fisch und Eier zu, machte mehr und mehr Ausnahmen und beschränkte sich zuletzt auf zwei strenge Fasttage am Beginn und am Ende der Fastenzeit. Das Freitagsfasten verkam zuletzt zu einem nebulös beliebigen Fastenopfer, das viele Christen nicht einmal dem Namen nach kennen. Es ist bemerkenswert, daß diese alte christliche ,JFastenkultur“ weniger am Unglauben, als am Wohlstand zerbrochen ist. Denn auch engagierte und ernsthafte Christen wissen heute oft wenig mit Fasten anzufangen.
Dabei kann man eine Wirkung des Fastens sehr leicht erfahren, wenn man es einmal konsequent versucht. (Oder wenn man — etwa im Krankenhaus — dazu gezwungen ist) Der Verzicht auf Essen und Trinken über längere Zeit erhöht nämlich in auffallender Weise unsere Wachheit, schärft unser Bewußtsein. Fastengruppen, die neuerdings solche Erfahrungen mit gutem Grund gemeinsam machen, um sich gegenseitig dabei zu bestärken und voneinander zu lernen, berichten davon.
Viele Christen meinen, das Wesen des Fastens bestehe darin, sich selbst sozusagen ein Leid zuzufügen. Als ob Gott ein leidender Mensch wohlgefällig wäre. Ein solcher christentümlicher Masochismus hat mit echtem Christentum nichts zu tun. Ein Verzicht, ein Opfer, das Fasten ist nicht Selbstzweck, sondern bezieht den Sinn aus der Motivation. Das, um des- sentwillen wir fasten, macht unser Fasten sinnvoll — oder sinnlos. (Wobei es natürlich nicht ehrenrührig ist, aus gesundheitlichen oder kosmetischen Gründen zu fasten.)
Es ist auffallend, daß die alte christliche Fastenkultur in eine Jahreszeit fällt, in der nach den damaligen ungesunden Ernährung sgewohn- heiten des Winters (mit wenig Obst und Gemüse und arm an Vitaminen) eine Entschlackung und Umstellung der Ernährung fällig war. Macht Frömmigkeit gesund?
16. Teil einer Serie über Zeichen und Symbole im Jahreskreis der Kirche.
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