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Hollein-Projekt zerstört Grabungsfunde

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Schreitet die „Verpraterung" der Wiener Innenstadt nach dem Willen von Bürgermeister Zilk und Stadtrat Swoboda zügig voran? Setzen sich Heldenplatz-Garage und Holleins Michaelerplatz-Design über die Einwände der Denkmalschützer hinweg?

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Schreitet die „Verpraterung" der Wiener Innenstadt nach dem Willen von Bürgermeister Zilk und Stadtrat Swoboda zügig voran? Setzen sich Heldenplatz-Garage und Holleins Michaelerplatz-Design über die Einwände der Denkmalschützer hinweg?

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Nicht zum ersten Mal drückt Wiens Bürgermeister Helmut Zilk der österreichischen Metropole seinen Stempel auf. Im Vertrauen auf ein Nachgeben seines Antipoden im Wissenschaftsministerium beharren er und Stadtrat Hannes Swoboda nach der Methode „eine Hand wäscht die andere" nicht nur auf der Erbauung der Tiefgarage unter dem Heldenplatz, sondern haben beide nun auch ihren jüngsten Wunsch mit Erfolg durchgesetzt. Kindern, Senioren und der viel-zitierten Pepi Tant4 einen Blick in die Unterwelt des Michaelerplatzes zu ermöglichen. (Der Gerüchtebörse nach soll die Tiefgarage selbst dann kommen, wenn Fernkorns Reiterstandbild des Erzherzogs Karl dadurch Schaden nehmen sollte, wozu einige Kommunalpolitiker der Meinung sind: „Dann mach'n wir halt a Kopie".)

Am Michaelerplatz werden also entsprechend dem als Sieger aus dem Architekten-Wettbewerb hervorgegangenen Projekt Hans Holleins die Reste der in den letzten Jahren ausgegrabenen Paradeisgartl-Mauer, die Spuren der römerzeitlichen Häuser und die Kellergewölbe der 1888 gemeinsam mit dem alten Burgtheater abgerissenen Wohngebäude infolge der klimatischen Verhältnisse in wenigen Jahren zerfallen. Bürgermeister und Stadtrat wollen dies weder dem Ausgräber Ortolf Harl noch der Landeskonservatorin Eva Höhle glauben. Distanziert haben sich Zilk und Swoboda lediglich von den ursprünglichen Vorstellungen, repräsentative Architektur und große Geschichte durch fragmentarisch alltägliche zu beeinträchtigen, indem sie sich gegen archäologische „Schutzbauten" wie Luigi Blaus mittels Kunststoffröhren beleuchtete Glaspyramide und Glasquader vis-ä-vis vom Michaeiertor der ehemaligen Habsburger Residenz entschieden.

Oberflächen-Gesetz fehlt

Vorzug hat nämlich Holleins Projekt gegenüber jenen seiner vier in die engere Wahl gekommenen Konkurrenten, daß die Sicht vom Kohlmarkt auf den Michaelerplatz nicht gestört wird. Denn Hollein läßt bloß in der Fortsetzung von Herrengasse-Reitschulgase einen Streifen des kreisrunden Michaelerplatzes frei, und verspricht andere, allein für die Wissenschaftler interessante Ruinen wieder zuzuschütten.

Abgeschirmt wird der über mehrere Stufen erreichbare „Schlitz in die Vergangenheit" durch eine etwa ein Meter hohe Brüstung. Holleins und Blaus Konzepte können jedenfalls -ebenso wie etliche von Harl geborgene Münzen und Gebrauchskeramiken aus dem 2./3. und 4. Jahrhundert - in den Räumen der Raiffeisenbank im gegenüberliegenden Loos-Haus besichtigt werden.

Da es einerseits kein Gesetz über die Oberflächengestaltung sogenannten öffentlichen Gutes gibt, andererseits die freigelegten steinernen Zeugen der Vergangenheit nicht den Kriterien einer Unterschutzstellung entsprechen, bestand für das Denkmalamt keine Möglichkeit, die Planierung des Platzes zu verlangen und so die Grabungsfunde durch Zuschütten zu schützen.

Im Frühherbst soll mit der Ausführung des Hollein-Projektes begonnen werden. Überlegungen zur Endlösung der Gestaltung des Gesamtbereiches Michaeiertor, Kohlmarkt, Graben, Petersplatz, Kühfußgasse sind im Gange.

Werden sie zugunsten einer Ausdehnung des Palmenhaines am Graben, einer weiteren „Verpraterung" ausfallen?

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