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Digital In Arbeit

VERFRÜHTE EUPHORIE UM DAS MOBILE BÜRO

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Euphorische Erwartungen begleiten den Beginn der Telear-beitsdiskussion. 50 Prozent aller Arbeitsplätze, so glaubten US-amerikanische Forscher in den siebziger Jahren, sollten bis zum Ende des Jahrhunderts Telear-beitsplätze sein.

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Euphorische Erwartungen begleiten den Beginn der Telear-beitsdiskussion. 50 Prozent aller Arbeitsplätze, so glaubten US-amerikanische Forscher in den siebziger Jahren, sollten bis zum Ende des Jahrhunderts Telear-beitsplätze sein.

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Anfang der achtziger Jahre, also zu einem Zeitpunkt, an dem erstmals vielfältige technische Möglichkeiten zur Verfügung standen, war Telearbeit ein Schwerpunkt wissenschaftlicher Diskussionen, wobei das Interesse und die Anzahl des Forschungspersonals umgekehrt proportional zu den tatsächlich vorhandenen Telear-beiterinnen und Telearbeitern war. Telearbeit beschränkte sich vor allem auf Dezentralisierung von Schreibarbeitsplätzen. Ende der achtziger Jahre flaute die Diskussion ab. Heute kommt sie unter anderen Vorzeichen, anderen Inhalten und anderen arbeitsorganisatorischen Ansätzen wieder auf.

Obwohl Flexibilität immer mehr in den Vordergrund rückt, zeigen Expertengespräche, daß Telearbeit in den Unternehmen differenziert gesehen wird. Aus repräsentativen Untersuchungen zum Sekretariats- und Führungskräftebereich, beispielsweise in der Bundesrepublik, geht hervor, daß die informationstechnische Unterstützung in den Büros heute weit verbreitet ist. So arbeiten im Unterstützungsbereich beinahe 90 Prozent, im Führungskräftebereich fast 30 Prozent am Bildschirm. Für Fach- und Sachbear-beitungskräfte dürften die Werte dazwischen liegen. Tendenz steigend und damit steigt auch das Potential der möglichen Telearbeiter/innen.

Werden wir in Zukunft vor allem zu Hause arbeiten? Auch diese Frage ist differenziert zu betrachten. So sind es vor allem Sekretärinnen, die am Bild-

schirm arbeiten, doch ihre Aufgaben lassen Telearbeit auch in Zukunft eher die Ausnahme bleiben. Enge Zusammenarbeit mit dem Chef, die Vielzahl von ad-hoc-Tätigkeiten und die geringe Planbarkeit des Arbeitsanfalls erfordern ihre Präsenz vor Ort.

Telearbeit bleibt mittelfristig gesehen weiterhin auf wenige Personengruppen beschränkt und wird eher in Mischformen realisiert. Auch heute läßt sich der Kommunikationsaustausch nicht ohne weiteres informationstechnisch ersetzen und Ansprechbarkeit vor Ort ist gewünscht; dabei sind natürlich auch Barrieren im psychologischen Bereich zu suchen (Kontrollmöglichkeiten...).

Auch das Satelliten- oder Nachbarschaftsbüro wurde bislang vor allem in einzelnen Modellversuchen realisiert. Volkswirtschaftliche Aspekte und ökologische Vorteile fallen hinter unternehmerischen Vorbehalten und arbeitsorganisatorischen Schwierigkeiten unter den Tisch.

Das mobile Büro hat sich in vielen Unternehmen im Außendienst und im Vertriebsbereich durchgesetzt. Die Vorteile liegen in dem direkten Zugriff und der Verkürzung der Durchlaufzeiten bei gleichzeitig sinkenden Investitionskosten durch den massiven Preisverfall bei der Hardware. Untersuchungsergebnisse von Unternehmen gehen in eine ähnliche Richtung wie sie Anfang der achtziger Jahre in dem Modellversuch „Schaffung dezentraler Arbeitsplätze unter Einsatz von Teletex" gemacht wurden, der vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, in Stuttgart durchgeführt wurde:

Vor allem die Arbeitnehmer/innen können der gewonnenen Flexibilität Pluspunkte abgewinnen. Die optimalen Rahmenbedingungen der Modellversuche spielen hier eine wichtige

Rolle: Rechtlich abgesicherte Arbeitsverhältnisse sowie die Kostenübernahme und Ausstattung des Telear-beitsplatzes durch das Unternehmen.

Bei der Unternehmensseite sind die Bedenken hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und organisatorischem Aufwand trotz verbesserter technischer Möglichkeiten nicht zerstreut. Neben organisatorischen Schwierigkeiten, eine optimale Auslagerung der Arbeit und Einbindung des Telearbeiters in den Arbeitsablauf zu gewährleisten, spielen psychologische Befürchtungen um Anwesenheitspflicht und Arbeitszeitkontrolle eine Rolle.

Mischformen haben Chancen

Die zunehmende Vernetzung und der Trend zum ergebnisorientierten Arbeiten führt dazu, daß diese Fragestellungen in Zukunft sowieso eine eher untergeordnete Rolle spielen werden. Das wird sich auf die Arbeits- und Vertragsbedingungen auswirken, und man kann davon ausgehen, daß es mittelfristig zu einer größeren Akzeptanz der Telearbeit bei den Unternehmen führen wird. Für die Arbeitnehmer/innen gilt es, zwischen den Vorteilen der großen Flexibilität und den Nachteilen einer größeren arbeitsrechtlichen Unsicherheit abzuwägen. Telearbeit in Reinform wird mittelfristig noch keine durchschlagende Rolle spielen. Mischformen haben jedoch sehr wohl eine Chance. Richtungweisend dürfte das erfolgsorientierte Arbeiten im Außendienst sein. Gelingt den Unternehmen - entgegen gewerkschaftlicher Bedenken - eine Übertragung auf andere Beschäftigungsbereiche, so wird Telearbeit in Zukunft eine größere Rolle spielen.

Die Autorin ist Mitarbeiterin des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart.

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