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Digital In Arbeit

Telearbeiter

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Telekommunikation schafft moderne Formen von „Heimarbeit”. Für die einen bringt sie mehr Freiheiten, für andere neue Abhängigkeiten.

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Telekommunikation schafft moderne Formen von „Heimarbeit”. Für die einen bringt sie mehr Freiheiten, für andere neue Abhängigkeiten.

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Armin Bardel ist Telear-beiter. Sein Zimmer in einer Wohngemeinschaft im sechsten Wiener Gemeindebezirk ist gleichzeitig sein Büro. In der einen Ecke steht sein Bett, in der anderen der Schreibtisch mit Computer, integriertem Faxgerät, Telefon und Modem. Mit seiner Firma ist er in ständigem Kontakt, allerdings nur über den Datenhighway. Im Schnitt besucht der 31jährige Sozialwissenschafter sein Zentralbüro einmal in zwei Monaten. „Ich habe mir alles so hergerichtet, wie ich es brauche. Um keinen Preis würde ich diese Situation aufgeben,” erklärt der junge Mann. Er wird durch keine Kollegen von der Arbeit abgehalten, die langen Anfahrtswege zur Firma entfallen, und die Arbeitszeit teilt er sich flexibel ein. Manchmal, so gibt er allerdings zu, gehen ihm die persönlichen Kontakte ab und gelegentlich stört es ihn auch, daß die Arbeit auch am Wochenende und in der Nacht nicht aufhört, nämlich dann, wenn besonders viel zu tun ist.

Daß Teleheimarbeit auch Probleme schafft, ist ihm bewußt. „Die Kommunikation mit den Mitarbeitern wird dadurch schwieriger. Ich weiß oft nicht, was die anderen machen, und sie wissen manchmal nicht, was ich mache. Dadurch entstehen Doppelgleisigkeiten.” Auch besteht die Gefahr, daß er von den Kollegen in der Firma schief angeschaut wird, weil er der „Privilegierte” ist, einer, der eigentlich nicht dazugehört.

So wie Bardel arbeiten immer mehr Österreicher. Sie verrichten einen mehr oder weniger großen Teil ihrer Arbeit in „Heimarbeit” und sind mit Hilfe der Telekommunikation mit der Firma verbunden. Nicht alle arbeiten zu Hause. Immer häufiger entstehen sogenannte Telehäuser, Nachbarschaftsbüros oder Satellitenbüros (siehe Kasten).

In Floridsdorf ist seit Ende Februar in der Autokaderstraße das erste

Redaktionelle Gestaltung: Elfi Thiemer

Wiener Telezentrum in Betrieb. Das „Büro von Morgen” bietet sechs Te-learbeitern Arbeitsplätze für EDV-Arbeiten, Entwicklungsarbeiten oder Kundenservice. Für 500 Schilling pro Tag können Unternehmer ihre Mitarbeiter einmieten, Selbständige oder Privatpersonen die Plätze in Anspruch nehmen. Das Gemeinschaftsprojekt der Stadt Wien, des Wirtschaftsförderungsinstitutes und der Siemens AG gilt als Prototyp für weitere Standorte.

Ein Telezentrum hat gegenüber der „Heimarbeit” den Vorteil, daß die sozialen Kontakte zu Kollegen aufrecht erhalten bleiben und der Telearbeiter nicht isoliert wird. Allerdings ist die Nachfrage bisher gering, wie der kaufmännischer Leiter des Tele-zentrums, Erich Lifka, zugibt. „Es kommen vorwiegend Leute, die Tele-arbeit zunächst einmal ausprobieren möchten. Fixe Telearbeiter haben wir noch keine.”

Warum Telearbeit bisher wenig Anklang findet, erklärt der Geschäftsführer mit „gewissen Berührungsängsten seitens der Unternehmer” und mit „gesetzlichen Unsicherheiten”. Lifka ist aber überzeugt, daß sich diese flexible Form der Arbeit in Zukunft durchsetzen wird, denn: „Telearbeit vergrößert wesentlich die Lebensqualität. Ein Telearbeiter muß sich nicht mehr durch die halbe Stadt quälen oder kann die morgendlichen Staus vermeiden, wenn er erst zu Mittag ins Büro fährt.”

Der Computerriese IBM erprobt ebenfalls die technische Durchführbarkeit von'Telearbeit in einer seit Ende 1994 laufenden Langzeitstudie an 26 Mitarbeitern, angefangen vom Abteilungsleiter bis zur Verkäuferin . Die IBM-Mitarbeiter, die derzeit Te-leworking testen, sind entweder stundenweise zu Hause, dafür die meiste Zeit im Büro, zu fixen Arbeitszeiten zu Hause erreichbar oder, je nach Lust und Laune, einmal im Büro, einmal zu Hause (siehe auch Seite 16).

Das ehrgeizigste Projekt in Österreich wird derzeit in Bruck an der Leitha, Niederösterreich verwirklicht. Dort soll ein „Televillage” entstehen, ein Dorf mit 31 Einfamilienhäusern, vier Wohnblöcken mit 80 kleineren Wohneinheiten und einem Telearbeitszen-trum mit allen Baffinessen. Für Gerhard Silberbauer von der Niederösterreichischen Landesregierung soll das neue „Televillage” zwei Aufgaben erfüllen.

1. Das ringförmige Wachstum der Stadt Wien soll durch ein stärkeres Wachstum von niederösterreichischen Städten im Wiener Pendler-Einzugsbereich ersetzt werden.

2. Durch die Telearbeiter soll eine neue Standortqualität für Bruck erreicht werden.

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