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Zeitgenosse

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Franz Hiesel hat es auf zwei Jahre Gymnasium gebracht — dann konnte der Vater das Schulgeld nicht mehr zahlen. Er war nach der Hauptechule („Aber da wenigstens lauter Einser!“) Drogist, fünf Jahre Soldat („Höchster Dienstgrad Obergefreiter, weil schlecht geeignet fürs Militär — subversiver Blick“), Straßenbahner von 1946 bis 1951, dann Bibliothekar. Von dort an näherte er sich der Literatur auch von der Auitorenseite her, brachte es auf einen h. c. Professorentitel, erhielt unter anderem den renommierten „Hörspielpreis der Kriegsblinden“.

Seit Jänner 1976 ist er Leiter der Abteilung Hörspiel und Literatur beim Studio Wien des ORF — nach achtjährigem freiem Autorentum. „Ich habe eine Doppelbegabung“, sagt er, „als Autor und als Regisseur.Als Chefdramaturg in Hamburg, 1960 bis 1967, da kam der Autor zu kurz; jetzt habe Ich Lust, wieder mit Autoren zusammenzuarbeiten.“

Nach frühen Freundschaften mit österreichischen Autoren (s.owohl auf der Schaffnerschulbank als auch in den städtischen Büchereien) hat er in Hamburg alles kennengelernt, was im Hörspiel Rang und Namen hat „Boll, Dürrenmatt, Lenz, Eich, Aichmger standen bei uns im Stall.“

Hiesels Ziel wäre ein gleichrangiger Hörspielaustausch zwischen der Bundesrepublik und Österreich. Bis jetzt gehen viele österreichische Autoren — und „in Österreich wachsen ja die Autoren nach“ — in der Literatur, und auch in der Hörspielliteratur, den Umweg via Bundesrepublik. Autor und Dramaturg Franz Hiesel übrigens auch.

„Um in wirtschaftlichen Termini zu reden: Ich finde, Österreich soll für die Hörspiellandschaft nicht nur den Rohstoff liefern, sondern das Fertigprodukt.“

Dem ORF könnte die Mitgift Hiesels, der seit 1954 nichts anderes gemacht hat als Radio und Fernsehen, der die Hörspielszene als Insider kennt, recht nützlich sein.

Wie sieht er, der internationalen Standard gewöhnt ist, die österreichische Hörspielregie? Der österreichische Rundfunk hat ja leider den Ruf, die technische Seite der Hörspielproduktion nicht gerade optimal zu lösen. Wird Hiesel dieses Problem aufs Korn nehmen? „Die künstlerische Funktion des Regisseurs ist bei uns in Österreich unterbewertet, oder als Aufgabe formuliert: sie soll aufgewertet werden.“

Das wäre ja auch an der Zeit. Hiesel hat vor, den Autoren die technischen Möglichkeiten dies Hörspiels nahezubringen. „Aktiv-Dramaturgie stelle ich mir vor. Ich meine damit die Zusammenarbeit mit den Autoren.“ Mit ihnen wird sich Hiesel, so hofft er, gut vertragen. „1970 habe ich die Autoren, .aufgehetzt'. Damals habe ich bei einer Enquete einen Forderungskatalog der Autoren aufgestellt, vom Honorar bis zu den Vertragsklauseln.“

Konkrete Projekte? „Neben dem zeitgenössischen Hörspiel die Pflege eines Hörspielrepertoires.“ Hiesel leitet ja in der Wiener „Alten Schmiede“ ein ständiges Hörspielmuseum, wo er im September, eine Woche lang jeden Abend, Beispiele für das Hörspiel als Zeitdokument vor vollem Saal vorführte. Dieses Hörspielrepertoire sollte für den Rundfunkhörer aktiviert werden, eine Leiste „klassisches Hörspiel“ mit eigenen Terminen — nicht in Konkurrenz mit den neuen Produktionen.

Dann — der Traum jedes Hörfunkmachers — Aktivierung der Hörer. Vielleicht auch öffentliche Hörspiel-Vorführungen.

Und welche Linie liegt ihm bei den Hörspielautoren zeitgenössischer Prägung am besten? „Nicht das belehrende, nicht das überzeugende Hörspiel, sondern im weitesten Sinn des Wortes unterhaltend, wobei ich mich an Aichinger, Bachmann, Eich, Hey, Siegfried Lenz, Jan Rys, bis Ernst Jandl und Friederike Mayrocker orientiere.“

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