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Rundfunk zum Fest

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Die Sendungen im Weihnachtsmonat, die in erster Linie Erwähnung verdienen, lagen in der Zeit vor dem Fest. Die Ravag brachte das ausgezeichnete, spannend, geschickt und sauber gemachte Hörspiel .Sensationsprozeß“ von Edward Wooll, die Dramatisierung einer Verhandlung vor dem Londoner Schwurgericht, in einer besonders guten Aufführung unter der Regie von Otto Ambros. — Das Hörspiel von Louis MacNeice «Der dunkle Turm“, übersetzt von Ingeborg Bachmann, wurde den Rundfunkkritikern schon eine Woche vor der Sendung (RWR) in einer Veranstaltung des Forschungsinstituts für Gegenwartskunde vorgeführt. Diese Neueinführung ist besonders bei schwierigen Stücken dankenswert und ermöglicht allenfalls eine Vor-?besprechung. Bei diesem Hörspiel handelt es sidi um eine .Bearbeitung des Roland-Stoffes: der'letzte der Söhne wird ausgeschickt, zum dunklen Turm zu gehen und den Drachen zu bekämpfen, die die Urheber des Bösen in der Welt sind, das zwar nie vernichtet werden kann, aber immer bekämpft werden muß, so wie es alle anderen Brüder vor Roland getan haben. Der Autor fängt hier die Begriffe von Glück, Heim, Geborgenheit, Wohlleben, Genügsamkeit ein, die für viele Menschen das Leben ausmachen und auf die Roland verzichten muß; ihm bleiben Angst, Verzweiflung, Schwäche, Hinfälligkeit — und seine Aufgabe, die er erfüllen muß. Die Menschen, Orte, Schicksale, die Roland auf seinem Weg begegnen, sind hier keine Symbole, sondern reale Geschehnisse' mit irrealer Bedeutung — hier wird wieder ein Versuch gemacht, Irrealitäten zu gestalten durch Realitäten mit deutlich transparenter Bedeutung. Die Aufführung (Regie Walter Davy) war vorzüglich, wenngleich vor zu häufiger Verwendung von Musik, besonders zur Szenentrennung, gewarnt werden muß.

Das vorhandene musikalische und dichterische Material zur Programmgestaltung für Weihnachten ist groß; davon wurde, gut dosiert und mit Geschmack zusammengestellt, Gebrauch gemacht.. Insbesondere die Programme des Heiligen Abends wurden so rund und sinnvoll, aber auch die beiden Festtage brachten viele schöne Sendungen und keine wirklchen Entgleisungen. Und trotzdem: es gab nichts, das sonderlich erwähnenswert wäre, das in besonderem Maß angerührt und das allgemeine Niveau des „Ansprechenden“ überragt hätte — die' Unpersönlichkeit der getroffenen Auswahl (Orgel, Chor, Volkslieder, Gedichte, Krippenspiele usw.) ließ mehr geschickte Übung als innere Anteilnahme oder zumindest Bemühung darum fühlbar werden (der Sinn des Stephandtages zum Beispiel blieb unberührt).

Besonders in diesen Tagen zeigte es sich, . daß der interessierte Radiohörer immer mehr den frühen Nachmittag oder späten Abend benützen muß, denn das Hauptprogramm wird immer schwächer, besonders wenn es dem „heiteren Sektor“ gewidmet ist. Vollends in den Weihnachts- und Neujahrstagen war es bisweilen bitter, langweilig oder primitiv und zeigte nur Lichtblicke, wenn bewährte Dichter („Wienerinnen“ von Hermann Bahr bei RWR) herangezogen wurden. Das erstmalige Auftreten einer seit Monaten groß angekündigten Stimmungskanone, die sich die Sender — wie man hört — nicht wenig kosten ließen, erwies sich (zumindest vorläufig) als Versager. Heiteres Weiihnachts-programm ist schwerer zu gestalten als gefühlvolles — und eben nicht nur mit Roiitine. Eine grundlegende Umgestaltung des heiteren

Teiles des Rundfunkprogramms überhanpt dürfte notwendig sein.

Ein Grundakkord wurde im Weihnachtsprogramm angeschlagen — hoffen wir, daß es einmal auch zu Variationen und Paraphrasen kommen wird.

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