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Gegen den Atomsperrvertrag

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Ein interessanter Widerstand regt ich in der Schweiz geigen ihren Beitritt zum Atomsperrvertrag. Der Widerstand ist gewichtig sowohl in seinen Argumenten als auch durch den Namen eines der Unterzeichner des Manifests, mit dem das ad hoc gegründete Aktionskomitee in die Öffentlichkeit getreten ist, nämlich des Oberstkorpskommandanten Paul Gigly, Generalstabschef der Schweizer Armee.

Vor dem Parlament in Bern hat vor zwei Jahren der schweizerische Außenminister Bundesrat Willy Spühler für einen Beitritt der Eidgenossenschaft zum Atomsperrvertrag plädiert.

Die Stellungnahme des „Aktionskomitee gegen den Beitritt der Schweiz zum Atomsperrvertrag” beruht auf folgenden Erwägungen: Die Atomwaffen können durch ihre abschreckende Wirkung dazu beitragen, den Krieg zwischen den Großmächten zu verhindern: Das seit Jahren bestehende Gleichgewicht zwischen den zwei Supermächten USA und UdSSR kann die Voraussetzungen für eine friedliche Lösung von Interessenkonflikten verbessern — dieses gesamthaft gesehen vorteilhafte Gleichgewicht, das sich aus der abschreckenden Wirkung der Atomwaffen und dem Kräfteverhältnis zwischen den Großmächten ergibt, kann jedoch durch die Fortsetzung des Wettrüstens gefährdet werden. Gegenwärtig ist die Zahl der Atommächte nicht groß, sie wird aber wachsen, wenn die Atommächte weiter aufrüsten — und der Atomsperrvertrag vermindert die Gefahr einer Fortsetzung des Wettrüstens zwischen den Atommächten in keiner Weise, weil er nur den Nichtgerüsteten einseitig Pflichten auferlegt, die gewaltigen Rüstungen dear Atommächte aber nicht antastet und sie auch nicht verpflichtet, wenigstens auf weitere Verstärkung ihrer Rüstungen zu verzichten.

25 Jahre lang ausgeliefert Dabei sind es nicht die atomaren Habenichtse — wie etwa die Schweiz —, die den Weltfrieden gefährden: sie könnten Atomwaffen in namhafter Zahl erst nach längerer Zeit besitzen, während die Vorräte der USA an Atomsprengkörpern auf 50.000, die der UdSSR auf etwa 30.000 geschätzt werden.

Auch ist nach Auffassung des Aktionskomitees gegen den Beitritt der Schweiz zum Atomsperrvertrag sehr schwerwiegend, daß China und Frankreich dem Vertrag nicht bei- tretem. Die Verpflichtung der Großmächte, keine Atomwaffen an die Habenichtse weiterzugeben, stelle just für die UdSSR kein Opfer dar, da sie es ohnehin niemals wagen würde, ihren Satelliten die Verfügungsgewalt über solche Waffen zu gewähren.

Das Aktionskomitee hebt hervor, daß die Forderung nach Verzicht auf Vertragsunterzeichnung keineswegs identisch sei mit einer Forderung nach einer schweizerischen Atom- bewaffnung. Der Vertrag werde aber für 25 Jahre abgeschlossen und sei praktisch weder kündbar noch revidierbar. Damit lieferten sich die Nichtatomaren auf ein Vierteljahrhundert dem Gutdünken der Atommächte aus.

Überraschender Angriff

Diese sehr vernünftigen Argumente des Aktionskomitees werden von einem „Prominenten” Anhänger des Beitritts der Schweiz zum Atomsperrvertrag mit einem für die Schweizer Demokratie zumindest merkwürdigen Mittel bekämpft: der Publizist Rolf R. Bigler, ehemaliger Chefredakteur der Zürcher „Weltwoche”, der sich voriges Jahr auf. der sozialdemokratischen Liste ins Parlament hat wählen lassen wollen, greift, nunmehr Mitherausgeber des Zürcher „Sonntags-Journal”, in dieser seiner Zeitung nicht etwa die Gründe des Aktionskomitees, sondern den Generalstabschef an, der neben anderen 61 Persönlichkeiten aus Politik, Presse, Wirtschaft und Armee dem Komitee angehört. Während Bigler die Pflicht und Aufgabe der Schweizer Armee, die Unabhängigkeit des Landes gegen außen und innen zu schützen, unterstreicht, erklärt er gleichzeitig, der Generalstabschef „hätte schweigen müssen”. Bürger Bigler spricht dem Schweizer Bürger Gigli das primitivste Freiheitsrecht kurzerhand ab: „Im politischen Kraftfeld der schweizerischen Demokratie hat die Armee keinen Platz …” Die Identifizierung der — gewiß gewichtigen — Meinung eines persönlichen Sachverständigen, wie es der Generalstabschef deir schweizerischen Armee ist, mit „der Armee” schlechthin muß jedoch als Mittel im Kampf der Meinungen abgelehnt werden.

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