Wie kann es passieren, daß ein gesellschaftspolitischer Ladenhüter plötzlich zum heiß diskutierten öffentlichen Thema wird? So geschehen beim "Karenzgeld für alle", unabhängig von einer vorherigen Anstellung.
Warum ist Familienpolitik, warum sind die Belange von jungen Müttern und Vätern und deren Nachwuchs jetzt plötzlich zu einem so wichtigen Thema geworden? Ich behaupte, daß nicht alle Diskussionsteilnehmer unverhofft den enormen Wert der Familie erkannt haben. Vielmehr spüren sie jetzt doch den zunehmenden und massiven Druck der Verweigerer: jener jungen Menschen, die sich angesichts der materiellen und beruflichen Vorteile von Kinderlosen gegenüber Eltern entweder überhaupt gegen eine eigene Familie oder im äußersten Fall für ein einziges Kind entscheiden. Das schlägt sich bereits deutlich in der Statistik nieder: Wurden 1960 in Österreich noch 120.000 Kinder geboren, so erwartet man für heuer nicht einmal mehr 80.000. Bereits zur Jahrtausendwende soll es mehr Sterbefälle als Geburten geben.
Keine ermutigenden Aussichten, fürwahr! Denn das immer öfter geäußerte "Kinder - nein, danke!" hat verheerende Auswirkungen auf unser Land. Einmal ganz abgesehen davon, daß es einer Gesellschaft, die vorwiegend aus Senioren besteht, doch an Lebendigkeit und Buntheit fehlt, stehen wir durch den Trend zur Kinderlosigkeit bald vor einer Menge kaum lösbarer Probleme. Einige wenige Erwerbstätige werden demnächst für die Erhaltung von Millionen von Pensionisten aufkommen müssen. Und ganze Wirtschafts- und Berufszweige sind vom Ruin bedroht. Denn wer kauft noch Kinderwagen, Spielzeug, Kinderwäsche oder Schulartikel, wenn es kaum mehr Nachwuchs gibt? Schickt man die vielen Lehrer und Kindergärtner dann in die Arbeitslose? Kluge Politiker tun gut daran, wenn sie die Bedürfnisse von Kindern und Eltern ernst nehmen. Familienpolitik soll ja, so hört man, zu einem zentralen Thema im Nationalratswahlkampf 1999 werden. Nur zu! Heftige Diskussionen führen nämlich viel eher zu konkreten Ergebnissen als die sonst üblichen schmuseweichen Unverbindlichkeiten.
Die Autorin ist Vizepräsidentin des Katholischen Familienverbandes Österreichs.
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