Werbung
Werbung
Werbung

Ist das Logische das Wirkliche? Der Philosoph Robert Spaemann, 80, will die Rationalität des Gottesglaubens nachweisen.

Der werdende Vater hat die ganzen Listen mit den aktuellen Modenamen nie beachtet. Er und seine Frau haben einfach die Namen genommen, die Ihnen gefallen haben. Hinterher haben sie dann erstaunt festgestellt, dass sie Namen ausgesucht haben, die damals zu den häufigsten Kindernamen für Neugeborene zählten. Nach ihrer subjektiven Innensicht haben die Eltern völlig selbständig gehandelt. Nach einer Außensicht kann man feststellen, dass bestimmte Namen zu bestimmten Zeiten gehäuft auftreten und deswegen vermuten, dass für die Namenswahl nicht nur subjektive Gründe ausschlaggebend sind, sondern auch solche, die jenseits der einzelnen Subjekte liegen. Ein Namensforscher, der dem nachgeht, wird also die Gründe für die Namenswahl anders beschreiben als die Eltern.

Welche Sicht kommt der Wirklichkeit näher? Dies ist eine Frage, die für den Philosophen Robert Spaemann eine wichtige Rolle spielt: Er will, vereinfacht gesagt, die Innensicht der Personen retten gegenüber der Dominanz der wissenschaftlichen Außensicht. So erklärt Spaemann im Vorwort zu dem Aufsatzband Das unsterbliche Gerücht, der dieses Frühjahr zum 80. Geburtstag des konservativen Philosophen erschienen ist. So könne die Wissenschaft untersuchen, wozu Religion in einem bestimmten System dient - wie es in jüngster Zeit der Soziologe Niklas Luhmann getan hat. Aber für Spaemann wird es dann problematisch, wenn religiöse Handlungszwecke als Bestanderhaltungsprobleme des gesellschaftlichen Systems gedeutet werden. Dagegen hält Spaemann die Innensicht der Glaubenden, wonach "eine Religion wahr sein muss, wenn sie gut sein soll. Der Mensch, der sich selber achtet, will nicht Opfer einer Illusion werden, keiner grausamen und keiner freundlichen." So schrieb er in der Neuen Zürcher Zeitung, die ihn um einen Beitrag für Ihre Serie "Was ist eine gute Religion?" bat.

Wann ist eine Religion gut?

In weiten Teilen der Intelligenz hat man sich damit abgefunden, dass sich in religiösen Dingen kein Wahr und kein Falsch mehr feststellen lässt, also verlegt man sich in Zeiten, wo die Religion unausrottbar bzw. das Gerücht von Gott unsterblich scheint, auf die Frage nach der Funktion: Wann ist eine Religion gut? Spaemann ist beizupflichten, dass er gegen allzu schnelle und triviale Funktionalisierungen der Religion auf der Wahrheitsfrage insistiert. Wenn es keine Kriterien für die Religion außerhalb des gesellschaftlichen Systems mehr gibt, dann passt sich die Religion an die herrschenden Ver-hältnisse an, was Spaemann zu Recht für eine schlechte Form der Zeitgenossenschaft hält. Seine eigenen Interventionen zu Zeitfragen sind von der Lust am Widerspruch zum common sense gezeichnet, was sie neben der stilistischen Brillanz zur lohnenden Lektüre macht.

Wie aber sieht für Spaemann die Wahrheit der Religion aus? Zu seiner Verteidigung der Innensicht der Menschen gehört auch, dass der Mensch ein wahrheitsfähiges Wesen ist, dass einerseits seiner Erfahrung und andererseits seiner Vernunft trauen könne. Eine Voraussetzung, die sich gegen Immanuel Kant richtet, der meinte, dass die theoretische Vernunft des Menschen nur über Sachen aus der erfahrbaren Welt sichere Auskunft geben könne. Deswegen gilt Kant auch vielen Denkern als der Zertrümmerer aller Gottesbeweise, weil Gott ja kein Gegenstand unmittelbarer Erfahrung ist. Robert Spaemann widerspricht; er lässt Kant mit dem Hinweis hinter sich, dass der sich quasi selber widerlegt habe, da er in der Kritik der reinen Vernunft etwas über die Reichweite der Vernunft ausgesagt habe, also über etwas, das jenseits seiner Erfahrung liege. Spaemann hält es dagegen mit der antiken Metaphysik, wonach Gott die Welt mit logischen Strukturen ausgestattet habe und die Vernunft des Menschen diese logischen Strukturen erkennen könne.

Und so setzt er in seiner jüngs-ten Veröffentlichung zum Letzten Gottesbeweis an. So der pompöse Titel, den Spaemann im Vorwort sofort einschränkt: Es gehe nur um ein rationales Argument für den Gottesglauben. Der Pattloch-Verlag hat in dem kleinen Büchlein einen gut 20-seitigen Aufsatz von Spaemann abgedruckt und eine knapp 100-seitige Kommentierung von Spaemanns Schüler Rolf Schönberger dazu gesetzt, der den Spaemann'schen Beweis gleich in die Geschichte der Gottesbeweise einsortiert. Nach Spaemann enthält diese Geschichte durchaus brauchbare Gottesargumente. Einer der fünf Gottesbeweise des Thomas von Aquin schließt von den zielgerichteten Prozessen in der Natur, wie zum Beispiel dem Vogelflug gen Süden, auf ein schöpferisches Bewusstsein: "Eine plötzliche grundlose Entstehung einer Welt aus nichts denken zu müssen, enthält eine Zumutung an die Vernunft, die alle anderen Zumutungen in den Schatten stellt. Ebenso aber auch die Zumutung eine unbeabsichtigte Entstehung von Leben, von Trieb, von Innerlichkeit und von Selbstbewusstsein als Resultat materieller Prozesse zu denken".

Gottesbeweis auf zwei Seiten

Spaemanns eigener Gottesbeweis passt auf zwei Seiten: Ein Ereignis das heute wahr ist, wird auch in der Zukunft wahr sein: Grammatisch wird das durch die Vorzukunft, das Futurum exaktum, ausgedrückt: Ich werde dies und das getan haben. Wenn ich es einmal getan habe, müsse es in alle Ewigkeit wahr sein. Niemand könne denken: In ferner Zukunft werde es nicht mehr wahr sein, dass ich dies und das getan habe - wenn ich es doch einmal getan habe. Damit es aber ewig wahr sein könne, so Spaemanns Pointe, müsse es ein absolutes Bewusstsein geben, das jede Wahrheit aufbewahrt. Gott garantiert nach Spaemann die Wahrheit der Welt.

In der Tat strapaziert Spaemann diese Pointe noch weiter, wenn er sagt: "Wir können jetzt nur noch beides zusammen haben: Das Selbstvertrauen der menschlichen Vernunft und die Existenz Gottes oder beides nicht." Die Folie für diese Aussage bieten ihm Friedrich Nietzsche und Michel Foucault, die bezweifelt haben, dass "die Welt uns ein lesbares Gesicht zuwendet." Das zeigt: Spaemanns "Beweis" funktioniert nur in seiner Konzeption einer vernünftigen Welt, in der die Vernunft des Menschen sichere Aussagen über das, was jenseits des Menschen liegt, machen kann. Denn selbst wenn man ein absolutes Bewusstsein denken muss - was fraglich scheint -, selbst dann klappt Spaemanns Beweis nur, wenn dem, was man denken muss, auch eine Wirklichkeit zukommt. Ist aber alles wirklich, was logisch ist?

Und ist die Alternative tatsächlich, wie Spaemann mit Hinweis auf Nietzsche und Foucault glauben machen will, die völlige Absurdität und die "Selbstabschaffung der Aufklärung", wenn die Wahrheitsfähigkeit der Vernunft bestritten wird? Oder ist die Alternative viel undramatischer eine Relativierung der Vernunft? Vernunft und Innensicht des Menschen bleiben an den jeweiligen geschichtlichen Kontext gebunden. Vernünftiges Denken findet Annäherungen an die Wahrheit. Der Mensch wird die Bedingungen seines geschichtlichen Seins nicht los, auch wenn er die Welt der Erfahrungen transzendiert und von Gott redet - oder wenn er das tut, was nach dem Schöpfungsbericht die erste Aufgabe des Menschen war: wenn er Namen aussucht.

Der letzte Gottesbeweis

Von Robert Spaemann, mit Kommentar von Rolf Schönberger, Pattloch Verlag, München 2007, 128 S., geb., € 12,95

Das unsterbliche Gerücht Die Frage nach Gott und die Täuschung der Moderne

Von Robert Spaemann. Klett-Cotta, Stuttgart 2007. 264 S., geb., € 17,50

Hamas einbeziehen

Die islamistische Hamas muss nach Auffassung des Koadjutors des Jerusalemer lateinischen Patriarchen, Erzbischof Fouad Twal, als Partner für eine Friedenslösung im Nahen Osten einbezogen werden. Mehr denn je sei es entscheidend, die islamistische Bewegung nicht zu marginalisieren. Auch wenn Israel und die USA die Hamas als terroristisch bezeichneten, müsse man ihre Erfolge im Gazastreifen zur Kenntnis nehmen. "Dank der, Hamas' kann man sehen, dass die Zeit des Chaos vorbei ist", so Twal. KAP

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung