Josip-juraj-strossmayer-portret - © Wikimedia

Bischof Strossmayer: Katholischer Panslawismus

19451960198020002020

100 Jahre nach seinem Hinscheiden ist der kroatische Bischof, Politiker und Mäzen Juraj Josip Strossmayer so umstritten wie zu seinen Lebzeiten.

19451960198020002020

100 Jahre nach seinem Hinscheiden ist der kroatische Bischof, Politiker und Mäzen Juraj Josip Strossmayer so umstritten wie zu seinen Lebzeiten.

Werbung
Werbung
Werbung

So wie Rom noch nie einen Zustrom erlebt habe wie zum Begräbnis von Papst Johannes Paul II., so sei es vor 100 Jahren in Đakovo gewesen, als Bischof Strossmayer zu Grabe getragen wurde. Mit diesen Worten spannte Weihbischof Đuro Hranić am Vorabend des 8. April 2005 den Bogen zwischen zwei Männern, die so viele Gemeinsamkeiten aufweisen, dass es nicht erst der göttlichen Fügung bedurft hätte, die das Begräbnis des Papstes exakt auf den 100. Todestag des Bischofs fallen ließ.

Josip Juraj Strossmayer wurde als Nachfahre von Einwanderern aus Oberösterreich am 4. Februar 1815 im ostslawonischen Esseg (Osijek) geboren. Das Gymnasium absolvierte er in seiner Heimatstadt, das Philosophicum in Budapest, wo ihn die Begegnung mit dem slowakischen Panslawisten Ján Kollár entscheidend prägte. Das Theologiestudium schloss er in Wien ab, wo er in kurzer Zeit zum Kirchenrechtsprofessor und Hofkaplan aufrückte. 1848/49 setzte er sich für die Niederschlagung der Revolution in Ungarn ein, weil diese für das kroatische Volk wenig Gutes verhieß.

Der kroatische Nationalführer Banus Jelačić erwirkte die Ernennung zum Bischof von Đakovo, ein Amt, das Strossmayer nicht weniger als 55 Jahre lang bis zu seinem Tod bekleiden sollte. Als Bischof der „bosnisch-syrmischen Diözese“ sah er sich automatisch veranlasst, über die Bistumsgrenzen hinauszublicken: Der Sitz der bosnischen Diözese war erst nach dem Eindringen der Türken außer Landes verlegt worden. Als Bischof von Syrmien (Srem) wiederum fühlte sich Strossmayer als Nachfolger des heiligen Method; er hatte zu den Slawenaposteln, denen der polnische Papst eine eigene Enzyklika widmen sollte, eine auch institutionelle Beziehung.

Und schließlich legten die Nachbarschaft zu Serbien und die Existenz einer serbischen Volksgruppe innerhalb der Diözese die Beschäftigung mit der Orthodoxie nahe. Folgerichtig wurde Strossmayer 1853 auch zum Apostolischen Administrator von Belgrad ernannt. Ein nicht zu unterschätzender Faktor war weiters, dass die Diözese Đakovo überaus begütert war und dass Strossmayer die Erträge noch zu steigern verstand.

Glaube und Heimat

All diese Faktoren führten dazu, dass der Bischof binnen Kurzem in Kirche und Gesellschaft ein unverwechselbares Profil gewann. Er korrespondierte mit dem russischen Religionsphilosophen Solowjow und dem englischen Premierminister Gladstone und trat auch seinem Kaiser selbstbewusst entgegen, wenn ihn dieser etwa wegen eines Gratulationsschreibens aus Anlass der 900-Jahrfeier der Christianisierung der Kiewer Rus abkanzelte.

„Alles für Glauben und Heimat“: Der bischöfliche Wahlspruch drückt aus, dass für Josip Juraj Strossmayer religiöse Überzeugung und Einsatz für die Menschen eine untrennbare Einheit bildeten. Politisch engagierte er sich als Landtags- und Reichsratsabgeordneter in der liberalen kroatischen Nationalpartei, die die Kroaten unter ungarischer und österreichischer Herrschaft zusammenführen und ihnen zumindest innerhalb des Königreichs Ungarn eine weitgehende Autonomie sichern wollte. Als sich der Dualismus abzeichnete, entwarf man das Gegenprojekt des Trialismus, der den Südslawen die Gleichberechtigung mit den Deutschen und Ungarn garantieren sollte. Man plädierte für einen Zusammenschluss aller Südslawen, wobei den Kroaten eine Schlüsselrolle zukommen sollte.

„Austroslawe“

Ausdruck dieser Bestrebungen war die von Strossmayer betriebene und in erheblichem Ausmaß finanzierte Gründung der Jugoslawischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Agram, die ursprünglich sogar die Bulgaren im Blick hatte. Die ebenfalls von Strossmayer betriebene Gründung der Universität und der heutigen Nationalgalerie in Agram (Zagreb) sollte die Vision einer "kroatischen Toskana" realisieren helfen. Bewusst wollte Strossmayer dem russischen, orthodoxen Panslawismus einen westlichen, katholischen entgegensetzen. Und da die meisten katholischen Slawen damals unter habsburgischem Szepter lebten, wurde er zum prominentesten Verfechter des Austroslawismus katholischer Spielart.

Spuren dieser politischen Konzeption finden sich heute noch in der Benennung von Strossmayerplätzen und -straßen in Prag, Laibach (Ljubljana) und Marburg (Maribor). Und der Mitteleuropäische Katholikentag von 2004 hatte für die sechs slawischen Teilnehmerländer durchaus einen Unterton slawischer Gemeinsamkeit. Am deutlichsten wurde dies bei der Eröffnung der Feier im mährischen Velehrad, wohin sich nach Strossmayers Tod der Schwerpunkt des katholischen Panslawismus verlagert hatte. Da erklärte etwa der Bischof von Koper/Slowenien, Metod Pirih, es sei „providenziell, dass jetzt so viele slawische Staaten der eu beitreten und dort ihren christlichen Beitrag leisten können“.

Auf dem Ersten Vatikanischen Konzil gehörte Strossmayer zu den vehementesten Gegnern der Unfehlbarkeitserklärung des Papstes, weil diese die Annäherung der Konfessionen behindern würde. Entschieden wandte er sich dagegen, den Protestantismus in Bausch und Bogen zu verdammen, vor allem aber sah er sein Projekt einer Kirchenunion mit den Orthodoxen bedroht.

Gegner der Unfehlbarkeit

Ein Instrument zur Herbeiführung dieser Union war für ihn die Forderung, die altslawische Kirchensprache, die in einigen kroatischen Diözesen für den römischen Ritus noch immer zugelassen war, überall dort zu erlauben, wo es Bischof, Klerus und Volk wünschen. Der Wiener Historiker Stefan Malfèr schildert in seiner Untersuchung dieser Bestrebungen, wie Strossmayer das päpstliche Verbot, zur Weihe des Doms von Đakovo in altslawischer Sprache zu zelebrieren, umging, indem er sich zwar selber an den Maulkorberlass hielt, aber tags darauf den Bischof von Senj einlud, der über das alte Privilegium locale verfügte und also altkirchenslawisch zelebrieren durfte. "Jetzt hat er uns doch noch überlistet", soll Papst Leo XIII. geäußert haben, der Strossmayer wohlgesinnt war und nur politisch unter Druck stand.

Unter Druck gestanden sein dürfte auch Johannes Paul II., als er auf seiner 100. Auslandsreise im Juni 2003 auf Strossmayers Spuren wandelte, denn folgt man den Presseberichten der Diözese Đakovo, hat der Papst den Namen des Bischofs nicht erwähnt. In Osijek gedachte er nur Franjo Šepers, des im Todesjahr Strossmayers ebenfalls in Osijek geborenen Vorgängers Joseph Ratzingers als Präfekt der Glaubenskongregation, und vom Gebet im Dom zu Đakovo wird aus päpstlichem Mund nur ein einziger Satz zitiert, der niemanden vor den Kopf stoßen konnte: „Wir beten zu dir, Vater, dass die Kirche allen Völkern eine heilbringende Säule sein möge.“

Heute noch brisant

Drei groß angelegte Symposien haben heuer versucht, Josip Juraj Strossmayer gerecht zu werden. In Venedig beschäftigte man sich mit seinen auch heute brisanten ökumenischen Bestrebungen, in Zagreb und Đakovo strich man sein Kroatentum hervor, in Krakau aber redete man Klartext: „Als katholischer Kirchenfürst war er bei den jugoslawischen Machthabern sowohl der Zwischenkriegszeit als auch des Kommunismus persona non grata. Als Anhänger des Jugoslawismus steht er darüber hinaus auch im souveränen Kroatien von heute nicht hoch im Kurs.“

Ob es wohl im Sinne Strossmayers war, dass jetzt der Korso von Đakovo, der den Strossmayer-Platz mit dem Franjo-Tuđman-Platz verbindet, in Johannes-Paul-II.-Straße umbenannt wurde, also zwischen dem jugoslawisch gesinnten Bischof und dem nationalstaatlich fixierten General eine sakrosankte Verbindung hergestellt wurde?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung