Schwierige gemeinsame Geschichte

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Die Kirchen tun sich mit der gemeinsamen Geschichte mit den Juden schwer. Alle Kirchen. Zu schwer ist offensichtlich die Verstrickung einer langen Geschichte, die eine Geschichte des Blutes ist. Zwar ist der Holocaust nicht von den Christen entfacht worden, aber weggesehen haben die Kirchen, auch diesmal.

Verantwortung haben sie allenfalls gegenüber getauften Juden gespürt. Und in der immer noch bestehenden Lebendigkeit der Ritualmordlegenden zeigt sich, daß die alte Geschichte direkter Gewaltausübung von Christen an den Juden so vergangen nicht ist.

Auch die antijüdischen Elemente in der christlichen Theologie sind noch immer nicht aufgearbeitet. Sie mögen zu Anfang verständlich gewesen sein, mußte sich doch die christliche Gemeinde vom Judentum abgrenzen, wie auch umgekehrt die Juden es an antichristlicher Polemik nicht fehlen ließen.

Dann aber wurde der theologische Antijudaismus zur anlaßlosen Selbstverständlichkeit, zum Kleingeld in Predigt und Unterricht, und so wurde der Nährboden bereitet, auf dem jeder Antisemitismus gedeihen konnte. Heute gibt es intensive Be-mühungen, dies aufzuholen, und Jesus, wie das ganze Neue Testament aus dem Judentum zu verstehen.

Aber diese Bemühungen bleiben in den Nischen einiger Spezialisten stecken, und die Neigung ist groß, sie mit den historischen Traumata der Deutschen zu erklären - und damit zu relativieren und zu erledigen.

Umdenken ist dringend nötig. Umdenken heißt Buße. Buße der Theologie, Buße der Kirche selbst ist angesagt, nicht nur die einiger ihrer verlorenen Söhne.

Denn, wer anders als die Kirche, die das Evangelium von der Vergebung als Kern ihres Glaubens glaubt und verkündet, wäre in der Lage, die Schuld der Geschichte, das falsche Denken, die Verfolgung früherer Zeiten, das Wegsehen in diesem Jahrhundert zuzugeben? Aber gerade darin tun sie sich schwer.

Und darum ist die Unfähigkeit, sich der geschichtlichen Klage der Juden auszusetzen, skandalös und ein Zeichen des Kleinglaubens.

Der Autor ist evangelischer Oberkirchenrat.

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