6880229-1979_07_02.jpg
Digital In Arbeit

Dialog von Christen und Juden

Werbung
Werbung
Werbung

Mit tiefstem Kummer müssen wir feststellen, daß in unserer polnischen Diözese, in der keine Spur von Ketzerei und Unglauben zu finden ist, sich allein das verachtungswürdige und gottverhaßte Judentum neben dem Katholizismus in den Städten zu behaupten vermag. Wohl wissen wir, daß man dieses ungläubige Geschlecht in anderen Provinzen des Reiches sowie im Auslande duldet, doch bezweckt man hiermit nur die Bekehrung des Restes Israels, gleichwie man um der Pracht der Blume willen den sie tragenden Stengel gedeihen läßt. Es geschieht dies, damit die unter uns lebenden Juden uns an die Leiden Christi des Herrn gemahnen, sowie damit sich in der ihnen als unseren Sklaven beschiedenen

Schmach und Not die göttliche Gerechtigkeit kundtue; ferner sollen sie, in der ganzen Welt verstreut, die unfreiwilligen Zeugen des Triumphes -jenes Glaubens sein, der ihnen so sehr verhaßt ist.“

Diese Erklärung einer Kirchenversammlung in Plock im Jahre 1733 ist Geschichte. Gleichzeitig jedoch Ausdruck meiner Betroffenheit über das Verhältnis der Christen zu den Juden. Ohne den

völlig neuartigen Charakter des politischen Antisemitismus zu verkennen, ergeben sich für mich doch gerade jetzt vor der Sendung der Serie „Holocaust“ Anfang März weitreichende Folgerungen. Der Gleichgültigkeit muß ein Angebot zum Dialog folgen; der unterschwelligen Verachtung durch Judenwitze das Bemühen um Verständnis des Judentums.

Die Forderungen des II. Vatikanums können uns dabei helfen. Unter anderem heißt es in der Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen

Religionen: „DaalsodasChri-sten und Juden gemeinsame geistliche Erbe so reich ist, will die Heilige Synode die gegenseitige Kenntnis und Achtung fördern, die vor allem die Frucht biblischer und theologischer Studien sowie des brüderlichen Gespräches ist.“

Im weiteren verwirft die Kirche jegliche Form des Antisemitismus, wenn sie erklärt: „Im Bewußtsein des Erbes, das sie mit den Juden gemeinsam hat, beklagt die Kirche, die alle Verfolgungen gegen irgendwelche Menschen verwirft, nicht aus po-

litischen Gründen, sondern auf Auftrieb der religiösen Liebe des Evangeliums, alle Haßausbrüche, Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus, die sich zu irgendeiner Zeit und von irgend jemandem gegen die Juden gerichtet haben.“

Soweit die kirchlichen Erklärungen. Als Christen sollten wir sie ernstnehmen. Aufmerksamkeit gegenüber neuen Formen des Antisemitismus und Beschäftigung mit den Gemeinsamkeiten des Judentums ist jedoch nicht ausreichend. Unsere Pflicht ist umfassender: wir

müssen eine Einladung um Verständigung aussprechen. Dies könnte in der Form von christlich-jüdischen Gesellschaften geschehen. Solche bestehen in der Bundesrepublik

Deutschland in den großen Städten. Sie haben zu neuem Verständnis beigetragen und den Juden das Gefühl der missionarischen Bedrängung genommen.

Nicht das Bestreben der Missionierung darf uns antreiben, sondern das Bemühen um das Verstehen der Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Diese Anstrengung soll die Verwirklichung des Äonziliarischen Auftrages mit der Verdammung des Antisemitismus bringen und zur Liebe, zum echten Dialog und Zusammenarbeit mit gleichen Rechten führen.

Im frühesten Kindesalter wurde uns eine Haltung eingeübt, die uns eine Dialogbe-reitschaft schwer machte. Dieses Vorverständnis macht auf unserer Seite das Studium des Judentums zur Notwendigkeit. Für einen ersten Kontakt empfehle ich das rowohlt-Taschenbuch „Das Judentum“ von Leo Trepp. Er hat es als Jude für Christen geschrieben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung