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Szenen aus dem Buch Tobias im Kunsthistorischen Museum.

Bei vielen Entwicklungen der Kunst werden Dinge von alltäglicher Nützlichkeit so lange künstlerisch bearbeitet und verschönert, bis daraus eigene Kunstwerke oder eine eigene Kunstgattung entstanden ist. Eines der besten Beispiele dafür bietet die Nobilitierung von einfachen Wandverhängen aus unterschiedlichen Stoffen, ursprünglich bloßer Schutz gegen Kälte und Nässe, zu prachtvollen Tapisserien. Bereits im alten Ägypten und im antiken Griechenland lassen sich Tapisserien finden, hierzulande bürgerten sie sich zwecks größerer Wohnlichkeit der mittelalterlichen Burgen ein. Und bereits damals stand der Grad ihrer kunstvollen Gestaltung in direktem Verhältnis zum gesellschaftlichen Status der Bewohner. Dann wurden sie auch zur Außengestaltung von Straßen und Plätzen, etwa bei Prozessionen oder Hochzeiten, verwendet und auch auf Reisen dienten sie den hohen Persönlichkeiten als relativ leicht zu transportierender, aber umso repräsentativerer Leichtbaupalast. Schließlich bürgerte sich ein, Tapisserien als wertvolle Geschenke bei dementsprechenden Anlässen zu offerieren, so wechselten ganze Serien aus nicht immer nur zweckfreien Motiven den Besitzer.

Eine derartige Serie präsentiert nun das Kunsthistorische Museum aus seinem reichhaltigen Bestand der Öffentlichkeit. Nach aufwendiger Restaurierung der empfindlichen Gewebe wird die Tobiasgeschichte aus dem Ersten Testament auf acht dreieinhalb mal viereinhalb Meter großen Gobelins ins Bild gesetzt. In den von der Renaissance beeinflussten Kompositionen sind in einem geschickten Ineinander von Architektur, Garten und freier Landschaft zumeist mehrere Szenen, die in unmittelbarem dramaturgischem Zusammenhang mit der Hauptszene stehen, zusammengefasst. Der fromme Tobit wird mit Blindheit geschlagen, damit Gott an ihm seine Güte erweisen kann. Sein Sohn Tobias bringt von seiner Reise, auf der er vom Erzengel Rafael begleitet wird, nicht nur eine Braut, sondern auch das Heilmittel für den Vater mit. Erst als man sich dem Engel gegenüber mit irdischen Gütern erkenntlich zeigen will, gibt sich dieser zu erkennen und setzt damit die Treue zu Gott und zu den Mitmenschen als höheren Wert an als jede materielle Entschädigung. Die in den 40er Jahren des 16. Jahrhunderts in Brüssel gewirkte Serie greift auf die eine oder andere Vorlage des Malers und Grafikers Barent van Orley zurück und dürfte eine zweite Version einer ursprünglich für Karl V. mit wesentlich wertvolleren Metallfäden durchsetzten Erstserie sein. Die gelungenen Kompositionen, die geschickt die wesentlichen Elemente der Tobiaserzählung bildnerisch übertragen, führen zum Staunen über die handwerkliche Perfektion, mit der hier malerisch gewebt wurde.

Szenen aus dem Buch Tobias

Aus der Tapisseriesammlung des Kunsthistorischen Museums

Maria Theresien-Platz, 1010 Wien

Bis 17. Oktober Di-So 10-18,

Do bis 21 Uhr,

Katalog: Wilfried Seipel (Hg.), Szenen aus dem Buch Tobias. Aus der Tapisseriesammlung des Kunsthistorischen Museums. Bearbeitet von Katja Schmitz von Ledebur, Milano 2004, 125 Seiten, e 24,-

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